Mittwoch, 26. Dezember 2007

2 glatt, 2 verkehrt

Jeder von uns hat eine hot-flop-Liste im Kopf. Dinge, die der Betreffende also als wahnsinnig sexy bezeichnen würde, und andere Dinge, die man eher mit Omiklischee assoziiert. Hm, was gehört zu meiner hot-Liste: definitiv Schuhe, Kosmetik, meine waffenscheinpflichtigen Top’s, die ein Dekolletee zaubern, dass mein vis-a-vis Sonnenbrillen braucht, weil ihn der Anblick so blendet. Was gehört auf die flop-Liste? Nun ja, es gibt viele Sachen, die in meinen Augen total unerotisch sind. Doppeldates mit Männern und ihrem Ego, Crocks (auch wenn ich sie liebe, weil sie irre bequem sind), labbrige Rollkragenpullis. Es gibt aber quasi eine Mutter des Unerotiktums – das Stricken…

Mit Stricken habe ich immer meine verstorbene Großmutter assoziiert, die in zwei Tagen einen kompletten Pulli runter gestrickt hat. Und in der Schule habe ich stricken absolut gehasst – da hat die Beste aller Mütter immer meine Schulpullis stricken müssen. Weniger, weil ich es nicht konnte, sondern weil es mich immens gelangweilt hat. Und als Erwachsene? Nun, da habe ich immer einen Bogen um die Stricknadeln gemacht – eben, weil es so total unerotisch ist. Wenn man strickt, ist man alt, und in mir kam – wenn ich jemanden stricken gesehen habe – immer eine Frage hoch „fickst du noch, oder strickst du schon?“. Nein, freiwillig würde ich nie, nie, nie Strickzeug in die Hand nehmen… denn ich bin ja schließlich eine coole, sexy Singlefrau - ich hab's noch lange nicht notwendig, Sex mit Stricken zu kompensieren…

Ich treibe mich ja in dem einen oder anderen Internetforum herum. Eines davon ist ein reines Frauenforum (mit zwei, drei Quotenmännern), und natürlich habe ich dort eines schönen Tages auch einen Strick-Thread entdeckt. Und habe zu meiner großen Überraschung gesehen, dass dort einige sehr junge, sehr agile, sehr intelligente Frauen zum Strickzeug gegriffen haben. Sie geben sich dort die ultimativen Stricktipps, posten Bilder ihrer selbst gestrickten Kunstwerke und sprechen einander gegenseitig Mut zu, wenn der Kampf gegen die Nadeln von den Nadeln gewonnen zu sein scheint.

In diesem Forum haben wir dieses Jahr auch wieder ein Engerl-Bengerl-Spiel gestartet. Ich finde solche Dinge immer sehr lustig und bin natürlich für jede Dummheit zu haben. Das Bengerl, das mir zugelost worden ist, ist eine junge Frau, die im Strick-Thread zuhause ist. Ihr Wichtelhinweis besagte, dass ihr oft kalt ist. Und da das Geschenk ja nur eine Kleinigkeit sein soll und nicht zu teuer, habe ich überlegt, wie es wohl wäre, wenn ich ihr einen Schal stricken würde.

Also, gesagt – getan: ich fahre in ein Wollfachgeschäft und suche mir dicke, kuschelige Schalwolle aus und besorge mir auch gleich dazu passende Stricknadeln. Auf meine Frage, wie viele Knäuel Wolle ich wohl brauchen werde, wenn ich so einen richtig, richtig langen Schal fabrizieren möchte, schätzt die Verkäuferin so sicher zehn Knäuel. Puh, das ist dann schon ganz schön viel Wolle… Na, fangen wir mal mit der halben Menge an, nachkaufen kann ich ja immer noch. Am selben Abend noch setze ich mich hin und beginne an meinem Schal zu stricken. Und da ich ihn nur glatt stricke, muss ich beim Muster nicht aufpassen, die Wolle, die mal dick, mal dünn ist, verzeiht ein ungleichmäßiges Stricken und so schnell kann ich gar nicht schauen, ist das erste Knäuel schon verstrickt. Ein erstes Nachmessen ergab, dass ich mit einem Knäuel Wolle 40 cm Schal geschafft habe. Das sollte also eine Gesamtlänge von zwei Metern ergeben. Perfekt – zwei Meter war in etwa das, was ich mir vorgestellt habe. Die zweite Freude: es geht super schnell, nach zwei Fernsehabenden war das Meisterwerk fertig gestellt… und ich vom Strickfieber infiziert.

Ich erzähle Caro ganz stolz von meinem Kunstwerk, und sie äußert gleich die Befürchtung, dass ich zu Weihnachten nun alle mit selbst gestrickten Schals beglücken würde. Nun, das wäre durchaus eine Möglichkeit, weil es schnell geht und einfach ist. Aber mir fehlt ein bissl die Herausforderung, denn einen Schal in nur-glatt stricken ist wirklich keine Kunst.

Was aber eine Kunst ist, sind Socken… Eines schönen Einkaufssamstages laufe ich bei einem A&M einer Sockenstrickbox über den Weg. Inhalt: ein Nadelspiel (für die, die nicht wissen, was das ist: das sind fünf dünne Stricknadeln, mit denen man schlauchförmige Gebilde stricken kann), 2 Knäuel Sockenwolle, ein Buch und ein „Sockenkompass“, an dem man für jede Schuhgröße ablesen kann, wie viele Maschen angeschlagen werden müssen, wie die Ferse gestrickt werden muss, und wie lange der Fuß bis zur Spitze sein muss. Die Anleitung für die Spitze selbst kann man dem Ding auch entnehmen. Absolut perfekt – und das für nicht mal 15 EUR – da hab ich schon mehr Geld für blödere Dinge ausgegeben.

Vor allem male ich mir aus, wie perfekt es sein muss: laut diesem schlauen Buch kann man – wenn man geübt ist – in zehn Stunden ein Paar Socken stricken. Ich kalkuliere noch einen Sicherheitszuschlag ein und rechne, dass ich bis Weihnachten locker einen Probesocken und zwei Paar „richtige“ Socken gestrickt haben müsste. Außerdem hoffe ich auf die Wirkung der Lernkurve, die ja besagt, dass jede Verdoppelung des Outputs eine 20 bis 25%ige Zeitersparnis bringt. Damit sollte alles zum Schaffen sein.

Mein Probesocken ist zwar keine Schönheit geworden, aber man kann dennoch den Socken darin erkennen. Also wage ich den Sprung zu den Geschenksocken. Und kämpfe mich tapfer von Reihe zu Reihe. Zu meiner leisen Enttäuschung muss ich aber feststellen: von 10 Stunden je Paar bin ich so weit entfernt wie von einem Physiknobelpreis. Ich schaffe nicht mal einen Socken in 10 Stunden… Eines Sonntags, als ich bei meinen Eltern zum Essen eingeladen bin, schnappe ich mein Strickzeug und beginne, vor meinen Eltern die für sie als Überraschung gedachten Socken zu stricken. Den etwas ungläubigen Blick meiner Beiden kommentiere ich ziemlich trocken mit „ok, zwei Möglichkeiten. Möglichkeit eins ist, dass ihr geflissentlich ignoriert, was ich hier tue, und am heiligen Abend tut ihr wahnsinnig überrascht, wenn ihr eure Geschenke auspackt. Möglichkeit zwei ist, dass ihr kooperiert und probiert, ob die Dinger überhaupt passen.“. Die Besten aller Eltern sind kooperativ und probieren – und da meine Socken zwar schön sitzen, aber in keinster Weise einschneiden oder drücken oder reiben, beginnen sie sogar, sich auf ihr Geschenk zu freuen.

Leider habe ich bis Weihnachten nur ein Paar fertig stricken können – das Paar für meinen Dad liefere ich nach. Aber ich bin trotzdem stolz auf meine Leistung.

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Vor allem habe ich eines bemerkt: stricken macht süchtig. Dadurch, dass ich noch lange nicht so geübt bin, wie ich es gerne wäre, muss ich mich beim Stricken ständig auf meine Hände konzentrieren und genau aufpassen, was ich da genau mache. Was den Vorteil hat, dass ich nebenbei nicht meinen hunderttausend Zusatzgedanken um Weltfrieden, Weltgesundheit und Welternährung nachhängen kann – von meinen Gedanken an McDreamy mal ganz zu schweigen. In meinem Kopf ist es herrlich still… somit werde ich weiterhin Stricken als Meditation betreiben – und zur Not meinen Freundeskreis mit selbst gestrickten Socken beglücken. Also Leute, stellt’s euch schon mal seelisch drauf ein…

Edit: die Sendesuchlauf-Testbildsocken für meinen Dad sind nun auch endlich fertig - mir war schon ganz schwindlig beim Stricken... Und so sehen die Wunderteile aus:

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Sonntag, 16. Dezember 2007

It's the most wonderful time of the year

So this is Christmas, and what have you done? Another year over, and a new one just begun...

Irgendwann kann selbst ich alter Weihnachtszyniker die Realität nicht mehr leugnen und beginne, ein bisschen sentimental zu werden: im Radio läuft dreimal täglich „Last Christmas“ von Wham, ich hab mir an Keksen und am allzu süßen Punsch bereits mehrfach den Magen verdorben, die Weihnachtsfeiern häufen sich, die offenen Fensterchen des Adventkalenders werden mehr und mehr. Bald ist Weihnachten!

Also, höchste Zeit, um langsam damit zu beginnen, sich auf das Fest der Feste einzustimmen. Dies beginnt für mich traditionell mit einem Klassiker: Love… actually. Erst mit diesem Film beginnt für mich die offizielle Weihnachtszeit (ORF sei dank, dass es erst heute der Fall ist), und ich werde heute wieder um 20:15 Uhr mit einer Riesenpackung Tempotaschentüchern vor dem Fernseher sitzen und wie ein Schlosshund heulen, wenn diese Szene läuft:



Aber nicht nur mit Filmen können wir uns auf die schönste Zeit des Jahres einstimmen. Natürlich war ich mit Freunden heuer schon Punschtrinken (btw: ich empfehle das Weihnachtsdorf zwischen den Museen – lange nicht so überlaufen, wie man sich aufgrund der Lage vielleicht denken könnte). Ich habe mich auch schon mit ein bisschen Weihnachtsdeko eingedeckt (und ich kann zur Entschuldigung sagen: es war für einen guten Zweck), auf meinem Türstaffel hängt ein Mistelzweig (fehlt nur noch McDreamy, der mich darunter küsst), und ich habe einen Bund Barbarazweigchen in einer Vase stehen, die zu meiner großen Überraschung jetzt schon blühen. Nur zu dumm, dass ich mich nicht an den alten Brauch gehalten habe, und jedem Zweig den Namen eines Mannes zugedacht habe, denn der Legende nach weist jener Zweig, der als Erstes blüht, auf den zukünftigen Bräutigam hin.

Die Weihnachtspakete sind (bis auf eines) schon verschickt, die Weihnachtskarten geschrieben. Ich mag Weihnachtskarten. Und zwar nicht in dem Sinne, dass ich einmal im Jahr mein Adressbuch durchforste und all jenen ein „frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr wünscht Julia“ schreibe, bei denen ich mich schon ewige Zeiten nicht mehr gemeldet habe. Vielleicht habe ich unter dem Jahr nicht immer Zeit, mich bei Freunden zu melden, aber grad um Weihnachten herum denke ich oft an sie und da verirren sich dann ein paar persönliche Worte auf die Karte. Und ich hoffe, dass sich meine Freunde über die Weihnachtskarte ebenso freuen wie ich mich darüber freue.

Ich bin schon eifrig am Geschenke basteln – die Besten aller Eltern freuen sich immer über eine selbst gebastelte Kleinigkeit (heuer sind selbst gestrickte Socken dran, und ich bin sehr stolz auf meine Strickkünste – also bitte nicht lachen). Und ich verpacke meine jährlichen Schokogeschenke. Zu Weihnachten habe ich mir angewöhnt, dass ich Kollegen aus anderen Abteilungen oder sogar aus anderen Unternehmen, mit denen ich das ganze Jahr über zusammen arbeite, Schokolade zukommen lasse. Es ist nur eine Kleinigkeit, aber sie gibt mir doch die Möglichkeit, mich für die gute Zusammenarbeit im vergangenen Jahr zu bedanken (und wenn man nicht so altruistisch eingestellt ist, könnte man mir unterstellen, ich versuche, die gute Zusammenarbeit im kommenden Jahr auch zu erhalten… *hüstel*). Und auch der Briefträger, die Kosmetikerin oder der Biokistl-Auslieferer freuen sich über diese Weihnachtskleinigkeit.

Meine Eltern haben gestern schon den Weihnachtsbaum für meine Wohnung gekauft (ohne mich dabei zu haben… dürfen die das?) und der Beste aller Väter hat gestern und heute damit gekämpft, den Baum in das Kreuz hinein zu bekommen (sowohl Vater als auch Baum haben diese Aktion unverletzt überstanden… obwohl: der Baum ist eigentlich eh schon tot, bei dem wär’s ja wurscht…). Aber Aktion geglückt, und meine Mutter ist nun stolz, dass sie einen „graden Baum“ bekommen hat (was bei dem schiefen Fußboden in meinem Wohnzimmer zugegeben auch wieder eher egal wäre, aber lassen wir ihr die Freude).

Ja, die Weihnachtslieder… ich hab mich zugegeben an „Last Christmas“ als Teenie satt gehört (wobei das Video nach über 20 Jahren betrachtet zugegeben sehr witzig ist – George Michael mit Fönwelle…). Im Radio wird ja im Moment auch alles Mögliche rauf und runter gespielt, und in den Singlecharts steigen die alljährlichen Weihnachtssongs wieder unter den Top 30 ein und ich finde es lustig, dass „Last Christmas“ diese Woche auf Platz 7 ist. Denn ich kenne nur Leute, die mit einem Ächzen in der Stimme wünschen, dass das Empfangsteil des Radios spontan verschmort, wenn dieser Song angespielt wird (fragt sich bloß, wer die Single nach über 20 Jahren noch immer kauft). Auch ich habe natürlich einen Lieblingsweihnachtssong, und der ist von Frankie goes to Hollywood:



Bleibt nur noch eine Frage, die zu klären wäre? Was wünsche ich mir vom Christkind? Nun, das ist recht einfach beantwortet. Da die drei Wünsche als guter Mensch auch heuer unerfüllbar bleiben werden (kein Krieg, kein Hunger und Gesundheit für alle), werde ich mich wohl offiziell als „wunschlos glücklich“ deklarieren müssen. Obwohl… eigentlich hätte ich für mich gerne folgendes:



A very Merry Christmas and a happy New Year. Let's hope it's a good one without any fear...

Sonntag, 9. Dezember 2007

Worldwide Candle Lightning

Am 2. Sonntag im Dezember ist der Worldwide Candle Lightning Tag, an dem man der verstorbenen Kinder gedenkt. Um 19 Uhr stellt man eine Kerze ins Fenster, der Gedanke dahinter ist, dass sich durch die stündliche Verschiebung der Zeitzonen eine Lichterwelle bildet, die in 24 Stunden einmal um die Erde wandert. … that their light may always shine.

Dieses Jahr stehen drei Kerzen in meinem Fenster: zwei für Freundinnen, die heuer ihr Baby noch in der Schwangerschaft verloren haben, und eine für all die anderen Babies, die nicht zur Welt kommen durften.

Ich hätte euch gerne kennen gelernt und euch beim Aufwachsen zugesehen… Und den verwaisten Eltern wünsche ich viel Kraft – ihr werdet euer Sternchen sicher nie vergessen. Tage wie der heutige sorgen dafür, dass auch wir Nicht-Betroffenen eure Kinder nie vergessen werden…

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Samstag, 8. Dezember 2007

These boots are made for walking

Jeder Mensch hat irgendeinen unerfüllten Wunsch aus seiner Jugend. Beim Einen ist es das Haustier, das nie und nicht gekauft wurde, weil es soviel Mist und Arbeit macht, beim Anderen die coole Stereoanlage, die man nicht bekommen hat, weil Eltern und Nachbarn den Krach befürchtet haben (und unsere Schwüre, immer Kopfhörer aufzusetzen, fruchteten natürlich nichts). Mein Jugendwunsch, den mir meine Eltern immer verweigert hatten, waren Doc Martens.

Himmel, wie sehr habe ich mir mit 16, 17 Jahren ein Paar Martens gewünscht. Aber meine Eltern haben mir den Wunsch stets verweigert, ihre Begründung war, dass nur Skinheads Martens tragen, und sie mich nicht im Outfit der „rechten Szene“ sehen wollten. Und alles argumentieren, dass Skins nur Stahlkappenschuhe oder Springerstiefel tragen, war sinnlos. Keine Martens für Julia. Ich habe stattdessen Chucks von Converse bekommen – auch nette Schuhe, die ich auch sehr geliebt habe, aber eben keine Martens…

Mit dem ersten Freund und dann dem ersten Job hatten die Martens für mich an Bedeutung verloren. Ins Büro hätte ich sie ohnehin nicht tragen können, außerdem passte nichts von meinen Outfits dazu. Die Jahre gingen ins Land, und ich hatte noch immer keine Martens.

In den letzten zwei Jahren habe ich mich immer wieder dabei ertappt, dass ich mich gefragt habe, ob meinem Leben wohl etwas gefehlt hat, weil meine Füße bis dato nicht „Martens-geedelt“ waren. Ich habe mit Arbeitskollegen geplaudert (deren Kids sogar welche trugen) und habe mir vorgenommen, dass irgendwann, irgendwann… da gehe ich auch los und kaufe mir welche. Von meinem Arbeitskollegen habe ich sogar eine günstige Bezugsquelle bekommen: im Milleniumtower gibt’s ein Geschäft, wo ein Paar 8-Loch-Martens an die 100 EUR kostet. Verglichen mit dem, was ich sonst für Schuhe auszugeben pflege, das reinste Schnäppchen. Und gestern, beim Ärzte-Konzert mit Ambi, wo ich mit meinen knallroten Chucks in der Menge gestanden bin und mir etwas robusteres Schuhwerk gewünscht hätte, da ist der Entschluss in mir gereift: am Samstag fahre ich los und kaufe mir ein Paar Martens.

Gesagt, getan. Heute Vormittag überwinde ich meinen Abscheu vor mit-Menschen-vollgestopften-Einkaufszentren-am-Adventshoppingsamstag und fahre mit der U-Bahn zum Milleniumtower (Auto fahren wollte ich mir doch ersparen). Und ich finde auch sofort das Geschäft, von dem mein Arbeitskollege gesprochen hat. Die Verkäuferin lächelt mich an und fragt „was kann ich für sie tun“. Ich bemühe mich, einen möglichst coolen Gesichtsausdruck aufzusetzen, so, als ob ich bereits mit Martens an den Füßen geboren worden wäre, und sage „ich suche schwarze, knöchelhohe Martens“. Ja, da bin ich richtig – welche Größe sollen sie denn sein? Ich seufze kurz in Gedanken und verlange Größe 40 (ja, dafür, dass ich so ein Zwergerl bin, lebe ich auf verdammt großem Fuß, ich weiß…). Die Verkäuferin kommt mit zwei Paar an, die für mich völlig identisch aussehen. Das eine Paar, so erklärt sie, sind die „klassischen Martens“. Die, die man 3 bis 4 Wochen einlaufen muss. Das andere Paar sind „Comfort Martens“, die aus besonders weichem Leder gefertigt worden sind, die man nicht mehr einlaufen muss. Ich probiere beide Paar an. Ja, die aus weichem Leder, die sind schon sehr bequem. Aber das Leder wirkt irgendwie so dünn. Außerdem fühle ich mich wie eine Lusche, wenn ich Bequemschuhe kaufe. Ich mein’ – hallo? – ich bin doch diejenige, die mit 10 cm Heels am Kopfsteinpflaster laufen kann. Also, das kann ja nicht so schwierig sein, ein Paar robuste Schuhe einzulaufen – auch wenn ich in meinem Leben noch nie so steifes Leder an den Füßen hatte, das keinen Millimeter nachgibt, wenn ich gehe. Nein, ich kauf mir sicher keine Martens für Warmduscher… Die Verkäuferin hat noch den ultimativen Einlauftipp für mich „zwei Paar Socken übereinander anziehen, dann geht das schon“. Ich habe beim Probieren so „Füßlinge“ an. Also schon richtige Socken, nur enden die halt in Knöchelhöhe. Aber das geht schon – irgendwie… Und so lang bin ich ja eh nicht unterwegs. Also lächle ich die Verkäuferin an und frage „können sie mir die Schuhe auch gleich entmarkerln und die Alten einpacken? Ich lass’ sie gleich an“. Und kaufe noch brav Martenspflege, denn wenn man die Schuhe ordentlich pflegt, dann werden sie auch weicher.

Zwei Minuten später stakse ich etwas steifen Schrittes mit meinen nigelnagelneuen Martens an den Beinen aus dem Geschäft raus. Ok, vielleicht war das sofort-einlaufen mit Minisöckchen doch nicht die allerintelligenteste Idee der Woche. Aber aufgeben? Nein, dafür bin ich zu stur. Mein nächster Weg führt mich gleich zu H&M, wo ich mir einen ordentlichen Vorrat an „richtigen“ Socken zulege. Und setze meine Einkaufstour durch die Milleniumcity unbeirrt fort.

… wobei ich mich ab und zu schon bei dem Gedanken ertappe, dass die Schuhe doch ziemlich reiben und drücken und mich die Füße etwas schmerzen. Eine ganz neue Erfahrung – so was kenn’ ich sonst nur von Heels, bei flachen Schuhen waren meine Füße bis dato sehr kooperativ. Da hat noch nie was gerieben oder gedrückt…

Eine halbe Stunde später frage ich mich langsam, ob das Leder meine Füße wohl schon wundgerieben hat. Ob man wohl auch über den Knöcheln Blasen bekommt? Oder reibt man da gleich das Fleisch auf? Aber Schuhe wechseln? Undenkbar – ich gebe nicht auf. Ich gehe nun langsamer und etwas bedächtiger. Und mir fallen alle möglichen Horrorstories von den Jungs ein, wenn sie vom Einlaufen ihrer Bundesheerstiefel berichtet haben. Angeblich wird ja Leder besonders schnell weich, wen man in den Schuh hineinpinkelt… Aber so verzweifelt bin ich noch lange nicht.

Zuhause angekommen hab ich mal meine Füße von den Schuhen befreit – meine Zehen haben begeistert aufgeatmet und sind aus ihrer leichten Taubheit erwacht. Bei meiner zweiten Einkaufstour habe ich schon den Rat der Verkäuferin berücksichtigt: ich ziehe zwei dicke Paar Socken über die Füße und schlüpfe erst dann in die Schuhe. Naja, noch immer nicht bequem, aber immerhin besser als vorhin – ich kann mir nun wenigstens nichts mehr wund reiben.

Ich habe also beschlossen, dass ich meine Martens noch in diesem Jahr einlaufen werde. Und da ich ja mit einer gewissen Sturheit gesegnet bin, wird mir das sicher auch gelingen. Noch nie wurde ich von einem Paar Schuhe bezwungen, und verdammt will ich sein, wenn das nun diesem gelingt. Solang wär’ ich aber für gute Ratschläge, was das Einlaufen von Martens betrifft, unendlich dankbar…

Samstag, 1. Dezember 2007

Alter Schwede

Ich kenne niemanden, der nicht eine IKEA-Story auf Lager hat. Sei es, dass man sich in der Möbelausstellung hoffnungslos verirrt hat, sei es, dass man sich beim Aufbauen des 34. Billy-Regals verletzt hat, sei es, dass man nach dem Einkauf noch 20 Mal hinfahren musste, weil immer irgendeine Schraube gefehlt hat. Und die Frage, ob in den Fleischbällchen wohl tatsächlich Rentierfleisch enthalten ist, oder ob es sich dabei um eine urban legend handelt, ist auch noch nicht erschöpfend ausdiskutiert worden.

Nun, das Positive an IKEA ist: man kriegt dort wirklich alles. Möbel, Küchenkrimskrams, Bilder, Pflanzen und hinter den Kassen gibt es zusätzlich den Lebensmittelshop, wo man auch noch Essbares erstehen kann. Jaja, wohnst du noch oder lebst du schon?

Ich muss gestehen, ich habe ein etwas ambivalentes Verhältnis zum IKEA. Ja, man bekommt wirklich alles, und das auch noch spottbillig – aber… es sind dort immer solche Menschenmassen, als ob der Elch was verschenken würde. Außerdem ist mir bei Möbeln „geliefert und montiert“ viel lieber, schließlich mag ich mir ja keinen Fingernagel abbrechen…

IKEA ist außerdem immer ein Familienevent. Zumindest begegne ich nur Großfamilien dort. Jeder möchte genauso sein wie die perfekte IKEA-Familie in der Fernsehwerbung, und so laufen Kleinkinder in den Gängen herum, einige zerbrechliche Dinge wanken immer wieder sehr bedenklich, das Personal selbst zuckt dazu mit keiner Augenbraue, und ich verliere endgültig die Nerven, weil frischgebackene Eltern mit dem soeben geschlüpften Nachwuchs – der natürlich wie am Spieß schreit (versteh’ ich, ich würd’ auch an seiner Stelle lieber im Kinderbettchen liegen und pennen) – den Großeinkauf natürlich samt plärrenden Säugling und Überdimensions-Kinderwagen erledigen müssen. Anscheinend muss man Kinder schon von der Mutterbrust an an IKEA gewöhnen…

Abgesehen davon liegt IKEA ja traditionell eher an den Stadtausfahrten, und egal, wie überdimensioniert die Parkplätze auch sein mögen: der Parkplatz ist immer bis zum letzten Fleckerl zugeparkt. Vor allem, weil einige Familien mit ihrem Minivan offensichtlich gewisse Einparkschwierigkeiten haben und grundsätzlich zwei Parkplätze mit ihrer Karre belegen (ganz ehrlich: wenn man nicht abschätzen kann, wie groß das eigene Auto ist, dann sollte man lieber auf einen Fiat Cinquecento umsteigen – oder noch besser: das Autofahren überhaupt sein lassen…).

Bei IKEA ist also immer ein Gestoße und Geremple, und es ist immer gesteckt voll von Leuten. Es gibt aber noch eine Steigerung zu dem Ganzen: IKEA am ersten Adventsamstag… Die Adventsamstage haben ja grundsätzlich den Vorteil, dass alle Geschäfte bis 18 Uhr offen haben (na ja, das ist in Wien zwar mittlerweile ohnehin eher die Regel als die Ausnahme, aber ein paar Geschäfte sperren unter dem Jahr auch um 17 Uhr zu, einheitlich ist da leider nichts) und die Shoppingsamstage sind ja in vielen Familien auch schon quasi Bestandteil der alljährlichen Weihnachtstradition. Ich stelle heute also am Vormittag fest: 2 Millionen Wiener – und alle beim IKEA Wien-Nord…

Stellt sich nur die Frage: was treibt mich dorthin, wo ich doch Menschenmassen, Stress und kreischende Kinder so überhaupt nicht mag?

Jeder Mensch sollte ein halbwegs realistisches Selbstbildnis von sich selbst haben. Ich zum Beispiel stehe dazu, dass ich nun mal eine Tussi bin. Und ich lieeeeeeebe alle Varianten von rosa – von pastell angefangen bis hin zu schreipink. In einem Internetforum bin ich über die Info gestolpert, dass es bei IKEA knallpinkfarbene Akkuschrauber gibt. Seien wir ehrlich: bitte, wie geil ist das denn? Ein Akkuschrauber für Mädchen! Ich brauche nicht mal drüber nachzudenken, denn das ist völlig sonnenklar: in meinem Tussihaushalt fehlt absolut noch ein Tussiakkuschrauber. Völlig egal, ob Bosch oder Black & Decker tausendmal zuverlässiger, leistungsstärker und einfach „mehr Power“ haben *grunzt* - sie sind nun mal nicht rosa… Und alleine mit dem Wissen, dass es rosafarbene Akkuschrauber gibt, ist es für mich absolut undenkbar, auch nur noch einmal einen „normalen“ Schraubenzieher in die Hand zu nehmen um etwas festzuschrauben.

Und so überwinde ich meine Abneigung gegen Menschenmassen, kreischende Kinder, vollgestopfte Parkplätze und den allgemeinen Weihnachtssamstags-Einkaufsstress und fahre also heute zum IKEA. Meine Arbeitskollegin hat mich zwar vorgewarnt „ich habe diese Akkuschrauber wohl in grün und in blau gesehen – aber pink? Pink hat’s nimmer gegeben“, aber ich muss mein Glück versuchen. Beherzt kämpfe ich mich also durch die Möbelausstellung, bemühe mich, kein Kind über den Haufen zu rennen und laufe den IKEA-Hindernisparcourt ab (ist das eigentlich mittlerweile eine olympische Disziplin? IKEA-Slalom?). Und da – beim Abgang zur Markthalle – da sehe ich sie: einen ganzen Haufen voller transparenter pinkfarbener Akkuschrauber… ich muss im Himmel sein. Definitiv im Tussihimmel… Und einer rosaner als der Andere – da fällt die Wahl unendlich schwer.

Aber ich hab nun endlich einen. Und er hängt auch mittlerweile schön brav am Strom, damit er sich ordentlich aufladen kann. Ich bin mir auch völlig sicher, dass ich heute oder morgen irgendetwas in meiner Wohnung finden werde, was unbedingt geakkuschraubt werden muss. Endlich kann ich mich beruhigt zurücklehnen und aus tiefster Seele sagen „habemus Tussihaushalt“ – endlich bin ich komplett.

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Schaut doch geil aus, oder? Und nein, das ist kein Vibrator…

Sonntag, 25. November 2007

Dirty Dancing

Ich liebe es, wenn es am Sonntagabend diese Uraltschinken im Fernsehen spielt – und unter „Uraltschinken“ verstehe ich nicht die richtigen Klassiker, aus der Zeit, als die Bilder laufen lernten. Nein, für mich beginnt der nostalgische Flair des Fernsehens, wenn ich einen Film aus meiner „wilden Jugend“ sehe. Und heute ist so ein Tag, wo mir RTL eine kleine Zeitreise in die Vergangenheit schenkt – mit Dirty Dancing.

Himmel, was habe ich als Teenie diesen Film bloß geliebt. Und ich wollte immer so sein wie Baby Houseman, natürlich an der Seite von Patrick Swayze, der umwerfend aussieht und perfekt tanzen kann. Zu dieser Zeit hatte ich auch eine ähnliche Dauerwellenmähne wie Jennifer Grey. Ich erinnere mich sogar, als der Film raus gekommen ist (was doch schon 20 Jahre her ist *hüstel*), da war in der Bravo Girl eine Anleitung, wie man zu „The time of my life“ richtig tanzt. Das wilde 1987, das Jahr, in der ich meinen ersten Freund hatte, als ich Händchen haltend mit ihm spazieren gegangen bin und mit ihm herum knutschen das Höchste der Gefühle war…

Zwei Jahre später bin ich mit Schulfreundinnen in die Tanzschule gegangen – so, wie es sich für brave Mädchen gehört hat, sind wir zum „Elmayer“ gegangen. Und da ist mir die große Liebe meines Lebens begegnet – das Tanzen. Ja, ich war eine richtige Tanzratte, ich war in den normalen Stunden und bin am Sonntag noch zusätzlich in die Perfektion gegangen. Ganz besonders stolz war ich, wenn ich mich als Anfängerin in die Fortgeschrittenen-Perfektion mogeln konnte. Und noch stolzer war ich, wenn ich von den Burschen aus dem Bronze/Silber-Kurs aufgefordert wurde und die Figuren und Schritte besser konnte als die Leute, die ein Jahr „über mir“ waren. Meine Freundinnen und ich haben uns alle möglichen Figuren von den Fortgeschrittenen abgeschaut, und in den Schulpausen haben wir brav Tanzschritte geübt – es war klar, dass wir zu jedem Tanz sowohl den Herren- als auch den Damenschritt beherrschten, was für die Herren oftmals etwas anstrengend war, wenn wir ihnen erklärt haben, wie sie ihre Schritte besser machen konnten.

Mein Tanzpartner und ich, wir hatten alle möglichen Hebe- und Sprungfiguren drauf, und wir wurden von einem der Tanzlehrer sogar gefragt, ob wir nicht bei der Formation mitmachen wollten (zu meiner großen Enttäuschung hat mein damaliger Tanzpartner allerdings „nein“ gesagt). Wir sind damals auf alle möglichen Bälle gegangen, haben im weißen Kleid mit hochgesteckten Locken eröffnet und haben uns einfach wie Prinzessinnen gefühlt. Und es war immer ein gewisses Prickeln da, wenn wir von einem Burschen zum Tanz aufgefordert wurden und dann in seinen Armen lagen und übers Parkett geschwebt sind.

Im zweiten Elmayer-Jahr habe ich dann meinen langjährigen Freund kennen gelernt. Ja, es war wie in einem alten Hans-Moser-Film, wo man die potentielle Liebe seines Lebens in der Tanzschule kennen lernt. Ich habe dann natürlich mit meinem Liebsten getanzt und nicht mehr mit meinem Tanzpartner, und habe mit meinem Freund auf Bällen die Nacht zum Tag gemacht. Besonders beliebt war damals das Spiel „ohne Eintrittskarte in einen Ball hinein schleichen“, und die allercoolsten Parties gab es dann immer in der Personalkantine. Ich erinnere mich auch noch an Picknicks, die wir im Rathauspark abgehalten haben, alle Freunde auf einer riesigen Picknickdecke, und der Sekt ist in Strömen geflossen (den Sekt haben wir selbst mitgebracht, aber die Sektgläser haben wir vorher beim Ball zusammen geklaut). Um Mitternacht waren wir bei jeder Fledermaus-Quadrille dabei (von der ich natürlich alle sechs Touren beherrscht habe). Und natürlich sind wir bei allen Bällen bis zum „Brüderlein fein“ geblieben, was teilweise damit geendet hat, dass ich um 6 Uhr morgens heimgekommen bin, mich grad noch umgezogen habe, und dann gleich in die Schule abgerauscht bin (und mehr als einmal im Unterricht weggepennt bin).

In der Beziehung ist dann leider immer wieder was dazwischen gekommen, sodass ich nur noch auf Hochzeiten und auf Taufen getanzt habe. Leider habe ich da die bittere Erfahrung gemacht, dass alles Können, dass ich mir in den Jahren zuvor mit soviel Liebe, Schweiß und Einsatz angeeignet habe, völlig vor sich hin verstaubt ist und dass ich nur noch zu Grundschritten und einfachsten Figuren in der Lage bin.

Mittlerweile ist es ewige Zeiten her, dass ich zum letzten Mal getanzt habe. Aber immer, wenn ich so Filme sehe wie heute Dirty Dancing, dann überkommt mich wieder die Lust am Tanzen, und ich würde mich am Liebsten sofort in einen Tanzkurs einschreiben und mich zweimal die Woche in Jive, Foxtrott oder Cha-Cha-Cha üben. Am Besten wäre das natürlich, wenn mein Tanzpartner mich ebenso ansieht wie Patrick Swayze Jennifer Grey.

Vielleicht schaffe ich es ja, dass ich wieder jemanden treffe, der bereit ist, und mit mir einen Tanzkurs belegt. Und ich bin auch keine ungeschickte Partnerin: ich steige niemandem auf die Füße, lasse mich bereitwillig führen und habe eine gute Kondition. … und ich habe eine unbändige Lust zu tanzen…

Sonntag, 18. November 2007

Let it snow, let it snow, let it snow

Ich bin kein Freund vom Winter. Im Winter ist es kalt, es ist nass, es ist dunkel und ich kann all meine schönen Schuhe nicht anziehen. Wenn man eine Haube trägt, weil es sonst zu sehr um den Kopf zieht, hat man hinterher eine typische Haubenfrisur, durch den Streusplit schleppt man überall Steinchen hin und mein Auto strotzt vor Dreck. Nein, der Winter und ich, wir sind wahrlich keine Freunde.

Ich bin auch kein Freund des Wintersports. Ich bin als Kind und als Jugendliche zwar ab und zu Eis laufen gewesen und ich war auch mehrmals am Schikurs, aber – es hat in vielen, vielen Fällen damit geendet, dass am Ende des Tages irgendein Körperteil von mir in Gips gehüllt war. Ich habe die Zeichen verstanden – kein Wintersport für Julia, wenn, dann nur passiv, wenn ich vor dem Fernseher sitze und unsere Schihelden anfeuere (und war’s früher ein Stephan Eberharter, dem ich die Daumen gedrückt habe, so ist es jetzt Rainer Schönfelder – ich mag diesen verrückten Kerl irgendwie).

Aber leider, leider sind wir auch in Wien um diese Jahreszeit nicht vor Schneefall gefeit, und so kommt, was traditionell immer um Leopoldi eintritt: der erste Schneefall in Wien…

Ich weiß, alle, die „am Berg“ oder „am Land“ oder wo-auch-immer wohnen, die halten sich jetzt die Bäuche vor Lachen, aber es ist halt nun mal so: bei 5 cm Neuschnee gibt es in Wien ein Verkehrschaos und bei allem, was darüber hinausgeht, kann man de facto den Untergang der Zivilisation verkünden. Alles steht. Und so sehe auch ich mit einer gewissen Besorgnis den Prognosen unserer Meteorolügen entgegen, denn der Neuschnee, der angekündigt ist, ist in der Regel der Garant dafür, dass die erste Straßenbahn, die in Wien den Geist aufgibt, die Linie D ist. … und jetzt ratet mal, mit welcher Bim ich in der Regel fahre…

Donnerstagnachmittag beginnt es also leise vor sich hin zu flankerln, allerdings schaut es noch nicht wirklich sehr bedrohlich aus. Als ich so gegen 19 Uhr das Office verlasse, sehe ich jedoch eine ziemlich winterliche Straße vor mir – der Schnee bleibt liegen und der Wind pfeift aus allen Richtungen. Ich kuschle mich in meine Jacke, ärgere mich kurz über die Tatsache, dass ich meine Haube zuhause gelassen habe (ja, ich weiß, im Radio wurde angesagt, dass es schneien könnte, aber die irren sich ja auch oft), und mache mich auf den Heimweg. Zuhause angekommen stelle ich fest, dass die Kombination Schaumfestiger, Haarspray, starker Wind und Schneefall die Haare sehr erfolgreich verkleistern kann. Und beim Entwirren der Pracht kullern mir auch etliche Tränen über die Wangen, ich ertappe mich dabei, dass ich mein überschulterlanges Haar in allen Tönen verfluche und kurz überlege, wie unendlich praktisch doch ein flotter Kurzhaarschnitt wäre (keine Sorge, alles noch dort, wo’s hingehört). Die Katzen sitzen voller Begeisterung auf den Fensterbrettern und beobachten akribisch, wie die Dachflächenfenster langsam aber sicher zugeschneit werden. ‚Wird ja alles nicht so schlimm werden’, denke ich mir noch, bevor ich mich in mein Bett verkrieche.

Als ich am Freitag früh aus dem Bett Richtung Fenster blicke, stelle ich fest, dass das Fenster komplett zugeschneit ist. Im Wohnzimmer bietet sich mir dasselbe Bild. Naja, hat’s halt in der Nacht geschneit, aber jetzt in der Früh ist das sicher schon ausgestanden – also machen wir kurz einen Realitycheck und öffnen das Fenster. Oh verdammt, da draußen schneit’s noch immer. Und es schaut so richtig winterlich aus, zusätzlich höre ich von einigen Stellen das vertraute Kratzgeräusch, das Schneeschaufeln am winterlichen Asphalt hinterlassen. Und es ist kalt… also schnell das Fenster wieder geschlossen und kurz überlegt, was tun.

Im Radio verkündet die Verkehrslady Dani Zeller, dass man in Wien besser das Auto stehen lassen sollte, und auf die Öffis umsteigen soll – die verkehren alle planmäßig. Es wäre zwar das erste Mal, dass die Wiener Linien vom Wintereinbruch nicht überrascht würden, aber kann ja sein, dass sie alle dazu gelernt haben, und dass es heuer mit dem Schneefall kein Problem gibt. Sicherheitshalber ziehe ich mich aber trotzdem sehr schneefest an, mit Jeans, dickem Pulli, meinen verhassten Desert-boots, Schal, Haube, Handschuhe und Winterjacke. Und verlasse sogar sehr zeitig, also 5 Minuten nach 8 Uhr das Haus, damit ich halbwegs zu einer vernünftigen Zeit ins Büro komme.

Auf der Straße bläst mir der Wind den Schnee ins Gesicht, sodass meine Augen sofort zu tränen beginnen. Scheißwetter! Ich stelle mich zwischen D-Wagen und Autobusstation, so, wie ich es in der Früh immer tue, damit ich mit dem Richtung Heiligenstadt fahre, was als erstes daher kommt. Ich sehe zu, wie eine entgegenkommende Straßenbahn Richtung Endstation abbiegt, ich sehe, wie die Autobusse Richtung Klosterneuburg fahren. Nur Richtung stadteinwärts, da kommt nichts. Aber ich wohne ja verkehrsgünstig und kann ja auch zur Not mit der Franz-Josephs-Bahn fahren. Und die ÖBB wird sicher planmäßig verkehren, also bin ich kurz vor viertel 9 am zugegeben sehr zugigen Bahnsteig. Vom Bahnsteig aus kann ich auch die Straßenbahnstation beobachten, die sich immer mehr mit Menschen füllt, und ich ertappe mich dabei, dass ich mich freue, dass ich in wenigen Minuten in Heiligenstadt sein werde und kurz darauf im Büro bin.

Was natürlich nicht daher kommt, ist die S40… Nach 10 Minuten Verspätung beschließe ich, mein Glück doch mit Bim oder Bus zu versuchen. Die Straßenbahnstation ist immer noch schwarz vor Menschen, es fahren zwar ab und zu Garnituren Richtung Endstation, aber es kommt nix den Berg wieder runter. Irgendwann kommt eine Dame vorbei und erklärt, dass es oben ein Problem mit einer Baustelle gibt, und dass die Bim nicht fahren kann. ‚Na leiwand’, denke ich mir schon etwas knurrig. Aber hurra, nach nur 25 Minuten warten kommt ein Bus von Klo’burg und wenige Minuten später bin ich bei der U4.

Die sollte ja immerhin planmäßig funktionieren. Und es steht sogar ein Zug in der Station, als ich den Bahnsteig betrete. Jetzt kann’s wirklich nimmer lang dauern, bald bin ich im warmen Büro und kann mir einen heißen Kaffee gönnen. Leider macht die U-Bahn keine Anstalten, die Station zu verlassen, nach ca. 5 Minuten schallt die Durchsage „Derzeit kommt es auf der Linie U4 in beiden Fahrtrichtungen zu unterschiedlichen Zugsfolgen. Wir sind bemüht, rasch die planmäßigen Intervalle wieder herzustellen und bitten um ihr Verständnis“. Na, das war ja klar… Ich überlege, ob es wohl eine Verschwörung von Ö3 und den Wiener Linien gibt, sodass sie im Radio durchsagen, dass alles planmäßig fährt, obwohl dem nicht so ist. Denn wenn man mal bei der Haltestelle steht, dann dreht man nicht mehr um, um einen Autoschlüssel zu holen – es könnte ja sein, dass in der Zwischenzeit ein Öffi daher kommt…

Mit einer halben Stunde Verspätung komme ich ziemlich übel gelaunt im Büro an. Und verfluche den Wintereinbruch in den höchsten Tönen. Braucht kein Mensch, diesen Schnee in Wien.

Am Samstagvormittag fahre ich mit der Straßenbahn Richtung Karlsplatz. Als ich beim Rathaus vorbei komme, wo gerade der Christkindlmarkt hergerichtet wird, ertappe ich mich zugegeben bei dem Gedanken, dass es so angezuckert schon irgendwie schön ausschaut…

Samstag, 10. November 2007

Vorfreude

Es klingt ja fast schon traditionell, wenn ich sage, dass jetzt – wenn die Tage kürzer, die Temperaturen niedriger und überhaupt alles so grau und kuschelig wird – sich in mir eine gewisse Vorfreude zu regen beginnt. Nein, natürlich nicht das, was jetzt alle denken (verdammt soll ich sein, wenn ich am 10. November in Weihnachtsstimmung komme), weihnachtlich gesinnt werde ich erst ab dem 8. Dezember. Denn vorher ist am 7. Dezember noch ein anderes Großereignis, worauf ich mich schon jetzt wie ein kleines Kind freue: das Konzert der besten Band der Welt in der Wiener Stadthalle. Und seit heute weiß ich, dass mich meine Freundin Ambi begleiten wird, und seitdem bin ich nur noch am Grinsen.

Ich halte den Ärzten nun schon seit gut 20 Jahren die Treue – sie sind die einzige Band, die mich von meiner Teeniezeit an begleitet hat. Und wenn es damals Songs wie „zu spät“, „El Cattivo“ oder „2000 Mädchen“ waren (und natürlich auch „Elke“ – das Intro ist doch schlichtweg der Hammer), die mich begeistert haben, so haben sich die Jungs (genau wie ich) in den vergangenen 20 Jahren doch auch ein bisschen verändert - und sie treffen immer noch meinen mittlerweilen doch etwas geänderten Musikgeschmack.

So genial die Ärzte auch auf CD sein mögen, live sind sie unschlagbar. Und so sind sie auch die einzige Band, von der ich mir in regelmäßigen Abständen die DVD’s kaufe, einfach, um ein bissl Konzertfeeling mitzuschnuppern. Ich erinnere mich jetzt noch an mein erstes Ärzte-Konzert am 23. Dezember 2003 (ja, ich war spätberufen beim Konzert-gehen), als die Drei auf einmal Weihnachtslieder gespielt haben. Und im Frühjahr 2004 war ich dann auch in der Arena und hab dort mitgepogot und mitgegrölt. Es gibt einfach nichts Genialeres als das Live-Feeling bei einem Ärzte-Konzert, einfach, weil man nie weiß, welcher Schwachsinn den Jungs nun einfällt und welche Zoten noch kommen.

Und man kann zu jedem denkbaren und undenkbaren Anlass Ärzte hören. Unvergessen ist ihr Lied „Schrei nach Liebe“, in dem sie überdeutlich zu dem zunehmenden Rechtsruck in Deutschland Stellung beziehen:



Ich mag auch das Lied “meine Freunde” sehr, hauptsächlich, weil ich in dieses Lied reininterpretiere, dass man die Leute, die man mag, genauso mögen soll, wie sie sind, auch wenn sie vielleicht einige Ansichten haben, die man nicht immer nachvollziehen kann. Aber es genügt meiner Meinung nach, wenn man sie dafür respektiert und nicht hinter ihrem Rücken verurteilt.



Die Berliner Jungs haben aber auch eine sehr romantische Ader. Sind wir doch ehrlich: wer von uns war noch nicht in dieser Situation:



Und auch diese Gefühle werden vielen von uns nicht fremd sein:



Besonders schätze ich an den Ärzten, dass sie auch den Feminismus tapfer unterstützen. Nein, hier kommt jetzt kein Link von der Emanzenhymne („Schwanz ab“ würde ich nie rufen – könnt’ ja sein, dass es schad’ drum wäre…), aber es gibt so Tage, wo ich jedes Wort dieses Songs unterschreibe:



Nicht zu vergessen jener Song, mit dem die Ärzte es auch in “normale” Radiosender geschafft haben:



Wobei es gerade Bela immer wieder schafft, mit einem gewissen Augenzwinkern auch die Abgründe und Tiefen der weiblichen Seele zu offenbaren:



Und seit "Bitte, bitte" kann ich mir in etwa vorstellen, wie der Arbeitstag einer Domina aussehen muss (den Song muss man sich unbedingt in der extended version anhören, wo eine richtige Domina mit sanfter Stimme alle möglichen Praktiken erklärt - da kann man noch was dazu lernen, also quasi Bildungsradio oder so ähnlich).

Noch 27 Tage bis zum Konzertereignis des heurigen Jahres - als ich die Konzertkarten in Händen hielt, waren es noch 99 Tage. Bis dahin gibt’s noch unendlich viel zu tun, nämlich alle CD’s (vor allem auch die Neue „Jazz ist anders“) auf Dauerrepeat laufen zu lassen, um wieder bei allen Texten mitgrölen zu können. Am 8. und 9. Dezember werde ich heiser sein und nur leise vor mich hinkrächzen (und der Beste aller Väter wird mitfühlend meinen „Gott erhalte diesen Zustand“) – aber es wird unendlich geil werden! Und wer weiß, vielleicht läuft ja der Eine oder Andere Ambi und mir dort über den Weg. Solange verbleibe ich mit einem

Es gibt nur einen Gott: Bela-Farin-Rod!

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