Mittwoch, 18. Juni 2008

Transporter

Oder: Wie sie in Highheels unfallfrei eine Glühbirne auswechseln

Jeder Mensch, der ein kleinwenig in der ach-so-beliebten Selbstreflexion geübt ist, hat ein mehr oder weniger akkurates Bild von seinen Stärken und Schwächen. Dass ich in Sachen Technik ein ziemliches Ei bin und regelmäßig einen Kleinkrieg gegen die diversesten Elektrogeräte in meinem Haushalt führe, habe ich auf dieser Seite schon in schöner Regelmäßigkeit dargelegt. Aber abgesehen davon, dass ich mit Wechselstrom am Kriegsfuß stehe, habe ich zusätzlich noch einen genetischen Defekt: mir fehlt das Hausfrauengen…

Meine Toleranzgrenze, was Dreck und Unordnung angeht, war schon als Kind sehr hoch angesiedelt – sehr zum Leidwesen meiner Mutter, die bei jedem Vorbeigehen an meinem Zimmer die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hat. Und konnte ich damals noch das Argument vorbringen, dass die vielen, vielen Sachen in dem winzigkleinen Zimmer einfach nicht genug Platz fanden, so muss ich mir – seitdem ich eine eigene Wohnung und somit über die großartige Fläche von 64 m² de facto die Alleinherrschaft habe – eingestehen, dass ich nun einen gewissen Argumentationsnotstand habe. … denn Platz wäre ja nun genug da, bloß der Wille, Ordnung zu halten, ist nicht sonderlich stark ausgeprägt. Staub wischen, Staub saugen, Fenster putzen – wie sinnhaft ist das ganze, wenn es kurz danach entweder regnet, und die Fenster wieder verdreckt sind, oder die Katzen sich nach dem Staubsaugen einen Kampf liefern, sodass alles wieder mit ihren Haaren bedeckt ist… Eben… Aber Defizite sind dazu da, dass man sie beseitigt, und man bekämpft sie ja bekanntlich am Besten, indem man sie erkennt und sich ihnen stellt, aus diesem Grunde habe ich seit bald fünf Jahren eine gute Seele im Haushalt, meine polnische Putzfee, die einmal pro Woche meinem Chaos hartnäckig zu Leibe rückt.

Ein dunkler Fleck hält sich aber seitdem ich in meine Wohnung eingezogen bin, beharrlich: das Wäsche waschen. In meinem Haus gibt es im Keller eine Waschküche, mit Waschmaschine und riesigem Wäschetrockner, und einem Kalender, wo man sich eintragen kann, wann man denn gerne waschen möchte. Das Problem an diesen Kalendern ist jedoch: wer zuerst kommt, mahlt zuerst… Und somit habe ich den Sonntagvormittag als Waschtag ausgefasst. Seien wir ehrlich: was gibt es schlimmeres, als sich am Sonntag aus dem Bettchen zu quälen, um die Schmutzwäsche in den Griff zu bekommen? Wochenenderholung? Vergiss es…

Als unlängst ein Mitglied meiner Familie von uns gegangen ist, tagte der Familienrat und beschloss einstimmig, dass ich die Waschmaschine erben sollte. Die ist zwar nicht mehr neu, aber sie tut, was man von ihr erwartet: nämlich Wäsche waschen. Also habe ich mich darüber gefreut, dass ich nicht die Mikrowelle oder die Kaffeemaschine zugesprochen bekommen habe, sondern etwas, mit dem ich wirklich etwas anfangen kann: eine süße kleine Babynova, die klein genug ist, um auch in meinem Badezimmer unterzukommen.

Leider fliegt die Waschmaschine nicht von alleine zu mir und der Fundus an schleppwilligen Männern ist auch nicht der Größte (Freundinnen hätten sich lustigerweise zuhauf gemeldet), aber dankenswerterweise bietet sich der Beste aller Freunde an, um mir in meiner Misere zu helfen. Also verabrede ich mich mit Christian, um das Projekt „Waschmaschine zu Julia transportieren“ in Angriff zu nehmen. Zuerst allerdings düse ich zu meinen Eltern. Da die Waschmaschine im 3. Stock (natürlich ohne Lift) steht, schnorre ich von meinem Vater eine Transportrodel. Der Plan ist simpel: Waschmaschine auf die Rodel wuchten, Christian balanciert das Ding die Stiegen runter, ich gehe vor und stütze das Trum, und am Schluss laden wir alles in mein Auto ein.

Tjooooo, schmecks, mei Herzerl, weil auch, wenn mein Clio in seinem früheren Leben ein Kleintransporter gewesen ist, aber eine Überdimensionsgroßbaustellengewaltrodel passt nicht rein – selbst mit alle möglichen und unmöglichen Sitze umlegen, einfädeln und gut zureden habe ich keine Chance – die Rodel geht einfach nicht rein. Also Plan b) in die Tat umgesetzt und ein Brettchen mit vier Rollen mitgenommen, damit wir die Waschmaschine wenigstens auf der Geraden schieben können.

Mit dem Brettchen im Auto düse ich in den 18. Bezirk – bekomme dort natürlich keinen Parkplatz in der unmittelbaren Nähe, sondern irgendwo „am Berg“ und stapfe mit Christian in die Wohnung. Die Waschmaschine ist zum Glück nicht sonderlich schwer – aber unhandlich… Und so schnell kann ich gar nicht schauen, rutscht sie etwas und einer meiner Fingernägel verabschiedet sich mit viel Schwung. Autsch!

Dann quetschen wir uns gemeinsam mit der Waschmaschine durch das enge Stiegenhaus, keuchen die drei Stockwerke bergab, verfrachten die Waschmaschine zu ebener Erde auf das Rollbrettchen und rollern damit Richtung Straße. Dort muss ich mein Auto erst mal holen, dann die Waschmaschine einladen, zu mir fahren, dort feststellen, dass kein Parkplatz vor dem Haus frei ist, ergo „halblegal“ das Auto abstellen und hoffen, dass die gesamte Exekutive auf beiden Augen blind ist und keiner der Anrainer rachsüchtig, Waschmaschine ausladen, dankbar feststellen, dass bei mir der Lift funktioniert und wir das Ding nicht fünf Stöcke nach oben schleppen müssen und die Waschmaschine ins Bad stellen. *keuch* - und dann tieeeeeeeeeeef durchatmen…

Da ich sehr risikoavers lebe, organisiere ich einen Installateur, der mir die Waschmaschine zum stolzen Preis eines schönen Paars Damenpumps anschließt (ich mag ja nicht ausprobieren, ob meine Haushaltsversicherung das mit dem Wasserschaden wirklich abdeckt), versuche, aus der Bedienungsanleitung halbwegs schlau zu werden, und endlich, seit über 12 Jahren, bin ich nun eines… waschautark… So einfach bin ich in Wahrheit glücklich zu machen…

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