Irgendwas bleibt
Die Menschen, die mich kennen und die mich lieben, sagen mit einem kleinen Augenzwinkern über mich, ich sei Monk. Ich schmunzle dann immer darüber, und habe es mir sogar schon angewöhnt, dass ich selbst über mich sage „ich bin Monk“. Und – sind wir doch ehrlich – jeder hat so seine kleine Schrulligkeit, seine Macke, dieses kleine „Etwas“, das zu diesem betreffenden Menschen gehört, das seine Einzigartigkeit mit ausmacht, und sicher auch zum Teil seine besondere Liebenswürdigkeit. Die beste aller Freundinnen zum Beispiel will im Kino immer am Rand sitzen. Mein Liebster wird unruhig, wenn er im Restaurant nicht die Rechnung bezahlen darf. Und ich?
Nun, im Bereich „latent zwanghaftes Verhalten“ bin ich sehr schmal bestückt. Ich muss nicht dreimal die Wohnung kontrollieren, ob alles abgedreht ist, ich kann auf Fliesen und auf Fugen treten - die Tatsache, dass die Knopfleiste der Bettdecke bei mir immer unten sein muss, kann in diesem Fall schon fast als „vernachlässigbar“ gewertet werden. Ich habe eine andere Macke: ich bin ein Kontrollfreak…
Wobei ich eines gestehen muss: Kontrollfreak sein ist nicht so schlecht… Meine Studienkollegen haben es zu schätzen gewusst, dass ich ihre Diplomarbeiten perfekt lektoriert habe und ihnen sogar angestrichen habe, wenn statt einem Leerzeichen zwei zwischen den Wörtern waren. Meine Arbeitskollegen drücken mir gerne wahre Zahlenfriedhöfe in die Hand zum Abgleichen und können sicher sein, dass ich erst dann Ruhe gebe, wenn wirklich neben jeder Zahl ein Häkchen steht. Mir ein Dokument zu schicken mit dem beliebten „lies dir das bitte mal durch“ führt in der Regel zu einer mindestens 5minütigen Besprechung, wenn ich das Dokument retourniere und alle meine Anmerkungen kund tue. Ich habe den Ruf, dass ich genau und sorgfältig arbeite, wenn ich etwas als „ich hab’s mir angeschaut“ zurück gebe und keine Anmerkungen habe, dann genieße ich mittlerweile das Vertrauen meiner Kollegen, dass dann wirklich niemand mehr noch zusätzlich drüber schaut, denn wenn das Julia’sche Qualitätshakerl drunter ist, ist das mindestens so sicher wie das Österreichische Gütesigel.
Was im Job hilfreich ist, kann im Privatleben allerdings ziemlich bremsen. Denn den Monk lege ich beim Heimkommen ja nicht bei der Garderobe ab, sondern der bleibt bei mir. Und so wohl sich der Monk in mir im Büro fühlt, weil er da ja seinen Kontrollzwang ausleben kann und dadurch ein hohes Maß an Sicherheit hat, so unwohl fühlt er sich, wenn ich privat vor unklaren Situationen stehe, wo ich von Sicherheit so weit entfernt bin wie von einem Physiknobelpreis. Vor einiger Zeit habe ich mir in einer unklaren Situation damit „geholfen“, dass ich einfach eine Entscheidung erzwungen habe. Das hat in 99,5 % aller Fälle damit geendet, dass nicht das raus kam, was ich mir erhofft hatte, aber immerhin – ich habe einen kleinen Teilsieg errungen, denn die Situation war nun nicht mehr unklar. Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich aber erkannt, dass mich dieses Verhalten sehr in meiner Entwicklung bremst, und seitdem arbeite ich daran und an mir, um es in den Griff zu bekommen und mir selbst ein kleines Eck mehr Freiheit zu schenken.
Mein Liebster hat gestern etwas sehr interessantes zu mir gesagt: du suchst dir eine Tür, durch die gehst du hindurch und schließt sie hinter dir. Ein gerader Weg, kein zurück schauen. Das genaue Gegenteil von ihm, der sich wohl fühlt, wenn er viele offene Türen, viele Optionen hat, mit denen er jonglieren kann.
Quasi ein Leben ohne Netz und doppeltem Boden… Gestern Abend hat das noch für mich erstrebenswert geklungen, da dachte ich mir noch „ja, das möchte ich auch können, das muss die ultimative Freiheit sein“. Heute – nach einmal drüber schlafen und etwas drüber nachdenken – sehe ich das anders.
Bedeutet es tatsächlich, dass ich kein Sicherheitsbedürfnis mehr habe, wenn ich unter unendlich vielen Möglichkeiten wählen kann, dass ich in einem Raum voller offener Türen stehe, nach Herzenslust hin- und hergehen kann und auch jederzeit in einen Raum zurückkehren kann? Tatsächlich glaube ich, dass das Beharren auf vielen Möglichkeiten sogar ein größeres Sicherheitsbedürfnis bedeutet. Wenn ich meine eine Türe öffne, hindurch gehe, sie hinter mir schließe und mir damit den Weg zurück versperre, bin ich bereit, ein Risiko einzugehen – das Risiko, dass ich auf meinem Weg scheitere. Ich bin gezwungen, darauf zu vertrauen, dass vor mir alles gut wird. Dass vor mir Menschen auf mich warten, die mich auf meinen Weg auffangen, die mich begleiten, die mich stützen. Dass ich mit den Situationen, die vor mir liegen, umgehen kann, dass ich an ihnen wachsen werde und nicht an ihnen zerbreche.
Wenn ich hingegen viele Möglichkeiten habe, viele Optionen, dann minimiere ich das Risiko, dass ich scheitere. Ich probiere halt die eine Türe aus, und wenn mir das dahinter nicht gefällt, kann ich immer noch dahin zurückgehen, von wo ich gekommen bin. Auch, wenn es mir in dem Ursprungsraum nicht so 100%ig gefallen hat, denn wieso wäre ich sonst weggegangen? Für mich hat die 1000-Türen-Option irgendwie den schalen Beigeschmack „ja, jetzt gefällt’s mir nicht, wo ich bin, also schau ich mal, ob’s woanders besser ist. Wenn’s mir nicht gefällt, dann komme ich einfach gleich wieder zurück. Und selbst, wenn es woanders besser ist, vielleicht ist’s dort eines Tages in der Zukunft nicht mehr so schön, und dann kann ich immer noch hierher zurückkommen.“ – das klingt für mich nach Rückschritt, nicht nach Weiterentwicklung.
Freiheit ist es wohl dann, wenn ich nicht immer gezwungen bin, in den Raum mit den vielen Türen zurück zu kehren, sondern hin und wieder eine Türe hinter mir zuschlagen kann. Genauso, wie ich nicht immer gezwungen bin, jede Türe hinter mir zuzuknallen, vielleicht lohnt sich ab und zu ein kleiner Blick zurück…
Nun, im Bereich „latent zwanghaftes Verhalten“ bin ich sehr schmal bestückt. Ich muss nicht dreimal die Wohnung kontrollieren, ob alles abgedreht ist, ich kann auf Fliesen und auf Fugen treten - die Tatsache, dass die Knopfleiste der Bettdecke bei mir immer unten sein muss, kann in diesem Fall schon fast als „vernachlässigbar“ gewertet werden. Ich habe eine andere Macke: ich bin ein Kontrollfreak…
Wobei ich eines gestehen muss: Kontrollfreak sein ist nicht so schlecht… Meine Studienkollegen haben es zu schätzen gewusst, dass ich ihre Diplomarbeiten perfekt lektoriert habe und ihnen sogar angestrichen habe, wenn statt einem Leerzeichen zwei zwischen den Wörtern waren. Meine Arbeitskollegen drücken mir gerne wahre Zahlenfriedhöfe in die Hand zum Abgleichen und können sicher sein, dass ich erst dann Ruhe gebe, wenn wirklich neben jeder Zahl ein Häkchen steht. Mir ein Dokument zu schicken mit dem beliebten „lies dir das bitte mal durch“ führt in der Regel zu einer mindestens 5minütigen Besprechung, wenn ich das Dokument retourniere und alle meine Anmerkungen kund tue. Ich habe den Ruf, dass ich genau und sorgfältig arbeite, wenn ich etwas als „ich hab’s mir angeschaut“ zurück gebe und keine Anmerkungen habe, dann genieße ich mittlerweile das Vertrauen meiner Kollegen, dass dann wirklich niemand mehr noch zusätzlich drüber schaut, denn wenn das Julia’sche Qualitätshakerl drunter ist, ist das mindestens so sicher wie das Österreichische Gütesigel.
Was im Job hilfreich ist, kann im Privatleben allerdings ziemlich bremsen. Denn den Monk lege ich beim Heimkommen ja nicht bei der Garderobe ab, sondern der bleibt bei mir. Und so wohl sich der Monk in mir im Büro fühlt, weil er da ja seinen Kontrollzwang ausleben kann und dadurch ein hohes Maß an Sicherheit hat, so unwohl fühlt er sich, wenn ich privat vor unklaren Situationen stehe, wo ich von Sicherheit so weit entfernt bin wie von einem Physiknobelpreis. Vor einiger Zeit habe ich mir in einer unklaren Situation damit „geholfen“, dass ich einfach eine Entscheidung erzwungen habe. Das hat in 99,5 % aller Fälle damit geendet, dass nicht das raus kam, was ich mir erhofft hatte, aber immerhin – ich habe einen kleinen Teilsieg errungen, denn die Situation war nun nicht mehr unklar. Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich aber erkannt, dass mich dieses Verhalten sehr in meiner Entwicklung bremst, und seitdem arbeite ich daran und an mir, um es in den Griff zu bekommen und mir selbst ein kleines Eck mehr Freiheit zu schenken.
Mein Liebster hat gestern etwas sehr interessantes zu mir gesagt: du suchst dir eine Tür, durch die gehst du hindurch und schließt sie hinter dir. Ein gerader Weg, kein zurück schauen. Das genaue Gegenteil von ihm, der sich wohl fühlt, wenn er viele offene Türen, viele Optionen hat, mit denen er jonglieren kann.
Quasi ein Leben ohne Netz und doppeltem Boden… Gestern Abend hat das noch für mich erstrebenswert geklungen, da dachte ich mir noch „ja, das möchte ich auch können, das muss die ultimative Freiheit sein“. Heute – nach einmal drüber schlafen und etwas drüber nachdenken – sehe ich das anders.
Bedeutet es tatsächlich, dass ich kein Sicherheitsbedürfnis mehr habe, wenn ich unter unendlich vielen Möglichkeiten wählen kann, dass ich in einem Raum voller offener Türen stehe, nach Herzenslust hin- und hergehen kann und auch jederzeit in einen Raum zurückkehren kann? Tatsächlich glaube ich, dass das Beharren auf vielen Möglichkeiten sogar ein größeres Sicherheitsbedürfnis bedeutet. Wenn ich meine eine Türe öffne, hindurch gehe, sie hinter mir schließe und mir damit den Weg zurück versperre, bin ich bereit, ein Risiko einzugehen – das Risiko, dass ich auf meinem Weg scheitere. Ich bin gezwungen, darauf zu vertrauen, dass vor mir alles gut wird. Dass vor mir Menschen auf mich warten, die mich auf meinen Weg auffangen, die mich begleiten, die mich stützen. Dass ich mit den Situationen, die vor mir liegen, umgehen kann, dass ich an ihnen wachsen werde und nicht an ihnen zerbreche.
Wenn ich hingegen viele Möglichkeiten habe, viele Optionen, dann minimiere ich das Risiko, dass ich scheitere. Ich probiere halt die eine Türe aus, und wenn mir das dahinter nicht gefällt, kann ich immer noch dahin zurückgehen, von wo ich gekommen bin. Auch, wenn es mir in dem Ursprungsraum nicht so 100%ig gefallen hat, denn wieso wäre ich sonst weggegangen? Für mich hat die 1000-Türen-Option irgendwie den schalen Beigeschmack „ja, jetzt gefällt’s mir nicht, wo ich bin, also schau ich mal, ob’s woanders besser ist. Wenn’s mir nicht gefällt, dann komme ich einfach gleich wieder zurück. Und selbst, wenn es woanders besser ist, vielleicht ist’s dort eines Tages in der Zukunft nicht mehr so schön, und dann kann ich immer noch hierher zurückkommen.“ – das klingt für mich nach Rückschritt, nicht nach Weiterentwicklung.
Freiheit ist es wohl dann, wenn ich nicht immer gezwungen bin, in den Raum mit den vielen Türen zurück zu kehren, sondern hin und wieder eine Türe hinter mir zuschlagen kann. Genauso, wie ich nicht immer gezwungen bin, jede Türe hinter mir zuzuknallen, vielleicht lohnt sich ab und zu ein kleiner Blick zurück…
drewshine - 1. Mai, 21:16