Mittwoch, 14. März 2007

Runners high

Endlich kommt der Frühling! Die Tage werden länger, alles grünt, die Vöglein zwitschern, es wird wärmer und man muss sich nicht mehr in die dicke Winterjacke quetschen und überhaupt – frau kann sich wieder viel, viel luftiger anziehen. Gesagt, getan, bei prognostizierten 18 Grad wage ich es eines Morgens und werfe mich zur Feier des Tages in meine sandfarbene Jeans. Besser gesagt: ich versuche es… Hmpf, ein kritischer Blick in den Spiegel fördert die traurige Wahrheit zu Tage: Ende des letzten Sommers ist das Ding noch nicht wie eine Knackwursthaut auf den Hüften geklebt… Über dem Bund rollen sich bedenkliche Speckröllchen und auch, wenn das gute Stück zum Teil aus Elasthan besteht – in der hab ich schon mal knackiger ausgeschaut. Seufzend wuzle ich mich wieder aus der Hose raus und wage einen Sprung auf die Badezimmerwaage. Schock, die Zahl muss falsch sein – ich springe sofort wieder runter. Ich beginne zu grübeln: na ja, im Winter hat die Schokolade ab und zu schon ganz gut geschmeckt, bei Lichtmangel muss man ja mit dem Serotonin der Schoki der Winterdepression entgegenwirken. Und Bewegung hab ich ja auch keine gemacht…

Resignierend stelle ich fest: da muss sich was tun, und zwar schleunigst. Mit der Figur kann ich unmöglich im Frühling auf die Frühlingsgefühle der Männer hoffen, also wird mal in Gedanken die Schoki vom Speiseplan gestrichen (zum Glück ist nix mehr zuhause, das noch vernichtet werden muss, und von alleine fliegt sie ja Gott sei Dank auch nicht ins Küchenkastl). Und da man ja bekanntlich nur dann weniger wird, wenn man nicht nur die Energiezufuhr drosselt, sondern zusätzlich auch brav Bewegung macht, um dem bösen Jojo-Effekt entgegenzuwirken, überlege ich, wie ich mich wohl sportlich betätigen könnte.

Ich habe letztes Jahr schon mal mit dem Laufen begonnen (na ja, wenn ich ehrlich bin, muss ich wohl eher „Traben“ dazu sagen…), da bin ich noch voll ausgerüstet. Also Laufen… Im Internet finde ich einen Frauenlauftreff, der ganz in der Nähe meiner Wohnung stattfindet, zu einer bürofreundlichen Uhrzeit noch dazu, und das Beste: er beginnt in wenigen Tagen – solange hält meine Motivation noch an.

Gesagt, getan. Ich fahre also an besagtem Tag zum Türkenschanzpark in Wien-Währing, wo dieser Treff abgehalten wird. Uff, ich bin zum Glück nicht die Einzige, die gekommen ist, und – noch besser – ich bin nicht die Fülligste, wenn das nicht gut fürs Selbstvertrauen ist... Die Trainerinnen erklären den Ablauf: für die Laufanfängerinnen (also mich) wird ein Trainingsplan absolviert, der es ermöglichen soll, in 12 Wochen 30 Minuten lang durchzulaufen. Das Tempo sei langsam, sodass jede leicht mithalten kann, laufen und gehen wird abgewechselt, und es hat bis jetzt noch jede geschafft. Na, wenn’s jeder kann, dann kann ich das auch. Punkt 20 Uhr setzt sich das Grüppchen in Bewegung – wir laufen los.

Und man kann wirklich „laufen“ dazu sagen, das Tempo ist doch etwas strammer als das, was ich letztes Jahr gelaufen bin. Aber – ich halte das Tempo problemlos mit, die frische Luft, über mir glitzert schon ein bissl der Sternenhimmel, ach, das Leben ist schön. Die Trainerin quiekt mit einer Hupe – Bewegungswechsel – und die Gruppe lässt sich vom Laufen ins Gehen fallen. Wir schwingen eifrig mit den Armen, wieder die Hupe – wir laufen wieder los. Dieses Stück im Türkenschanzpark geht leicht bergab, ich bin beschwingt und selig – das war die Beste Entscheidung meines Lebens. Immer schön abwechselnd gehen, laufen, gehen, laufen...

Beim vierten Mal Laufen stelle ich fest, dass mir langsam aber sicher ein bissl die Luft ausgeht. Die Strecke windet sich einen kleinen Hügel hinauf. Verdammt, seit wann ist der Türkenschanzpark nicht brettleben? Ich fühle mich wie eine Hochgebirgsgemse. Im Internet stand aber nichts davon, dass man für diesen Lauf geländetauglich sein muss. Neben mir höre ich zwei Mädchen plaudern, die völlig enthusiastisch sind und die Meinung vertreten, dass Laufen ja die natürliche Bewegungsform des Menschen sei, schließlich sind unsere Vorfahren in der Steppe ja auch den Gazellen nachgewieselt. Ich schau mir die beiden Mädchen an – zierlich, schlank, langbeinig. Ja, eh klar, dass eure Vorfahren in der Steppe Gazellen gejagt haben. Ich blicke an mir herunter. Nun ja, meine Vorfahren waren anscheinend eher von jener Kategorie, die in der Tundra gemütlich hinter dem Weidemastodon her getrottet sind. Nix mit Flucht vor Löwen und Gazellenjagd… Und warum zum Henker haben die zwei Tussis noch immer genug Luft, um über solche Dinge zu schwatzen. Mordlüstern könnte man werden – wenn man Luft hätte…

Nach einer absolvierten Runde machen wir eine ungeplante Pause, denn vor unserer Gruppe steht SIE: Dr. Dagmar Rabensteiner, ihres Zeichens schnellste Marathonläuferin Österreichs und Sportärztin. Sie freut sich, dass so viele Frauen zum Lauftreff gekommen sind, und erzählt, dass sie grad von ihrer Ordination weggelaufen ist und grad am Heimweg ist. Eine Trainerin wirft ein, dass ihre Ordination hinter der Karlskirche im vierten Bezirk ist… No, auch ein breiter Weg – ich werfe einen kurzen Blick auf das zarte Persönchen vor mir und stelle fest: die Frau schwitzt noch nicht einmal! Ich hab nach knappen 2 km einen halben Lungenpatschen und ihr steht nach der Distanz nicht ein Schweißtropfen auf der Stirn…

Bei der zweiten Runde kann ich mich nicht mehr entspannen, als wir den Hügel bergab laufen, weiß ich doch, dass ich mich in einigen Minuten – wenn ich noch mehr nach Luft japse – wieder hinaufquälen muss. Irgendwann sind die 30 Minuten Laufzeit um und wir stehen vor der Meierei um noch ausgiebig zu dehnen. Während des Dehnens beginne ich mich zu entspannen, die Anspannung der vergangenen Wochen fällt von mir ab und mein Pulsschlag verlangsamt sich auch wieder auf ein Niveau, das einem Kardiologen nicht mehr Sorgenfalten auf die Stirn zaubert. Ich bin stolz auf die Leistung, die ich gerade erbracht habe und lasse mich dazu hinreißen, dass ich in den allgemeinen Kampfruf der Frauenläuferinnen „Fisch schwimmt, Vogel fliegt – Frau läuft“ einstimme. Und ich beginne zu begreifen, was der Runners high eigentlich ist: der Sauerstoffmangel im Gehirn mordet anscheinend ein paar Millionen Nervenzellen abrupt und setzt die individuelle Hemmschwelle ordentlich herab – somit ist frau bereit, bei jeder Peinlichkeit mitzumachen.

Was soll ich sagen? Geil war’s, natürlich bin ich nächste Woche wieder mit dabei!

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