Freitag, 4. Januar 2008

Akte Ex

Ab einer gewissen Altersstufe kann man wohl davon ausgehen, dass jeder Mensch, der einem über den Weg läuft, auch ein gewisses „Vorleben“ gehabt hat. Unter Vorleben verstehe ich, dass er sich zumindest schon einmal durch die Höhen und Tiefen einer Beziehung durchgefrettet hat, aus irgendwelchen Gründen an der Beziehung gescheitert ist und hinterher die Wunden, die diese Beziehung hinterlassen hat, geleckt hat. Und es gibt einige Menschen, die weiterhin mit ihren Exfreunden befreundet sind und es gibt andere, die einen Bogen um sie machen.

Auch in meinem Leben gibt es einen Ex, einen Mann, mit dem ich doch 13 Jahre meines Lebens verbracht habe. Und auch, wenn ich hier die Gründe für die Trennung nicht breit treten möchte, so gab es sie dennoch, er hat seinen Kram gepackt und ist aus meiner Wohnung ausgezogen. Danach hat er einige Zeit lang versucht, mich „zurückzuerobern“, was allerdings nicht nur an der stalkerhaften Methode gescheitert ist. Ich wollte einfach meine Ruhe von ihm haben und nach einigen Monaten hatte er das endlich auch verstanden.

Ich habe damals die interessante Feststellung gemacht: da gibt es einen Menschen, mit dem man jahrelang Freud’ und Leid teilt, der über die tiefsten Gedanken bescheid weiß, der einen kennt, wie sonst niemand. Und wenn es dann vorbei ist, stellt man fest, dass man mit diesem Menschen wohl im Bett war, dass man aber retrospektiv betrachtet nicht mit ihm befreundet sein mag. Dass man diesen Menschen nicht einmal mehr nett findet. Und doch hat man jahrelang zusammen gelebt, ja, hat diesen Menschen sogar mal geliebt. Aber wenn die Liebe weg ist, bleibt oft keine Freundschaft übrig…

Ich bin mit keinem meiner Exfreunde heute befreundet. Einige sind einfach völlig aus meinem Blickfeld verschwunden und bei anderen frag’ ich mich, welcher Teufel mich damals geritten hat, dass ich mich ausgerechnet in diesen Mann Hals über Kopf verliebt habe. Vielleicht ist es ja so, dass die Hormone in diesem Augenblick die Alleinherrschaft über den Körper übernehmen und dich nur in eine Richtung treiben, immer weiter vorwärts, völlig außer Acht lassend, dass die Klippe immer näher kommt und der Abgrund dahinter tief ist.

Mich hat heute – nach sicher 3 ½ Jahren absoluter Funkstille – mein Ex angerufen. Er ist gerade dabei, seine Vergangenheit aufzuarbeiten, und nachdem er die Dinge durchforstet hat, die er damals so eingepackt hat, hat er festgestellt, dass noch einiges von mir dabei ist. Ich bin wütend: erstens mal werde ich Dinge, nach denen ich 3 ½ Jahre lang nicht gefragt habe, nicht auf einmal wieder haben wollen und zweitens mag ich nicht 20 Minuten lang am Telefon nieder gequatscht werden, was sich in seinem Leben nicht alles getan hat.

Man mag mich bitte nicht falsch verstehen: ich wünsche meinem Ex nichts Böses, ich bin ihm auch nicht gram für die 13 Jahre, die ein Anderer vielleicht als vergeudete Zeit sehen würde. Ich bin unter anderem auch durch die Zeit, die ich mit ihm verbracht habe, zu dem Menschen geworden, der ich heute bin, und ich finde diesen Menschen nicht so übel. Ich finde nur, dass ich lange genug seine Probleme zu meinen gemacht habe und ich möchte nicht mehr Teil seines Lebens sein. Und ich möchte, dass er diese Einstellung von mir respektiert.

Ich habe mir also mit meinem Ex ausgemacht, dass er die Dinge, die er (mit meinem Einverständnis) in meinem Keller gelagert hatte, Mitte des Jahres abholen wird. Er hat mir vieles über sich erzählt, ich habe zugehört, habe ihm aber nichts über mich berichtet. Einfach, weil ich finde, dass es ihn nichts angeht. Er ist nicht mehr Teil meines Lebens und ich möchte ihm keine Angriffspunkte bieten, wo er nachhaken kann. Zum Schluss habe ich ihm ein erfolgreiches erstes Halbjahr gewünscht und habe aufgelegt.

Das Absurde an der ganzen Geschichte ist ja, dass ich heute Morgen kurz an meinen Ex gedacht habe. Und mich über ihn geärgert habe, weil er nie so wirklich Rücksicht auf mich genommen hat. Mir ist heute früh wieder eingefallen, wie viele Stunden ich damit verbracht habe, dass ich irgendwo auf ihn gewartet habe, einfach, weil ich Zeit mit ihm verbringen wollte. Ich war auch auf das Mädchen, das ich damals war, wütend. Wenn ich könnte, würde ich ihr sagen, dass das ein Fehler ist, dass sie es nicht notwendig hat, sich stundenlang auf einen zugigen Gang zu stellen um auf ihren Freund zu warten. Dass er – wenn er sie wirklich liebt – ihr den Respekt erweisen wird, den sie verdient hat. Respekt war das, was unserer Beziehung wohl am Meisten gefehlt hat… Und keine zwei Stunden später ruft er an und versucht sich für alles, was er mir angetan hat, zu entschuldigen.

Es gibt nun nichts zu verzeihen. Ich bin ihm nicht böse. Ich bitte ihn nun nur, mir jenen Respekt entgegen zu bringen, den er mir all die Jahre vorher verwehrt hat – und respektiert, dass ich mir in den bald 4 Jahren, die seit unserer Trennung vergangen sind, ein eigenes Leben aufgebaut habe, und dass er nicht mehr Bestandteil dieses Lebens ist. Und auch nicht mehr sein wird – weil er nicht der Typ Mann ist, mit dem ich gerne befreundet sein möchte…

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