These boots are made for walking
Jeder Mensch hat irgendeinen unerfüllten Wunsch aus seiner Jugend. Beim Einen ist es das Haustier, das nie und nicht gekauft wurde, weil es soviel Mist und Arbeit macht, beim Anderen die coole Stereoanlage, die man nicht bekommen hat, weil Eltern und Nachbarn den Krach befürchtet haben (und unsere Schwüre, immer Kopfhörer aufzusetzen, fruchteten natürlich nichts). Mein Jugendwunsch, den mir meine Eltern immer verweigert hatten, waren Doc Martens.
Himmel, wie sehr habe ich mir mit 16, 17 Jahren ein Paar Martens gewünscht. Aber meine Eltern haben mir den Wunsch stets verweigert, ihre Begründung war, dass nur Skinheads Martens tragen, und sie mich nicht im Outfit der „rechten Szene“ sehen wollten. Und alles argumentieren, dass Skins nur Stahlkappenschuhe oder Springerstiefel tragen, war sinnlos. Keine Martens für Julia. Ich habe stattdessen Chucks von Converse bekommen – auch nette Schuhe, die ich auch sehr geliebt habe, aber eben keine Martens…
Mit dem ersten Freund und dann dem ersten Job hatten die Martens für mich an Bedeutung verloren. Ins Büro hätte ich sie ohnehin nicht tragen können, außerdem passte nichts von meinen Outfits dazu. Die Jahre gingen ins Land, und ich hatte noch immer keine Martens.
In den letzten zwei Jahren habe ich mich immer wieder dabei ertappt, dass ich mich gefragt habe, ob meinem Leben wohl etwas gefehlt hat, weil meine Füße bis dato nicht „Martens-geedelt“ waren. Ich habe mit Arbeitskollegen geplaudert (deren Kids sogar welche trugen) und habe mir vorgenommen, dass irgendwann, irgendwann… da gehe ich auch los und kaufe mir welche. Von meinem Arbeitskollegen habe ich sogar eine günstige Bezugsquelle bekommen: im Milleniumtower gibt’s ein Geschäft, wo ein Paar 8-Loch-Martens an die 100 EUR kostet. Verglichen mit dem, was ich sonst für Schuhe auszugeben pflege, das reinste Schnäppchen. Und gestern, beim Ärzte-Konzert mit Ambi, wo ich mit meinen knallroten Chucks in der Menge gestanden bin und mir etwas robusteres Schuhwerk gewünscht hätte, da ist der Entschluss in mir gereift: am Samstag fahre ich los und kaufe mir ein Paar Martens.
Gesagt, getan. Heute Vormittag überwinde ich meinen Abscheu vor mit-Menschen-vollgestopften-Einkaufszentren-am-Adventshoppingsamstag und fahre mit der U-Bahn zum Milleniumtower (Auto fahren wollte ich mir doch ersparen). Und ich finde auch sofort das Geschäft, von dem mein Arbeitskollege gesprochen hat. Die Verkäuferin lächelt mich an und fragt „was kann ich für sie tun“. Ich bemühe mich, einen möglichst coolen Gesichtsausdruck aufzusetzen, so, als ob ich bereits mit Martens an den Füßen geboren worden wäre, und sage „ich suche schwarze, knöchelhohe Martens“. Ja, da bin ich richtig – welche Größe sollen sie denn sein? Ich seufze kurz in Gedanken und verlange Größe 40 (ja, dafür, dass ich so ein Zwergerl bin, lebe ich auf verdammt großem Fuß, ich weiß…). Die Verkäuferin kommt mit zwei Paar an, die für mich völlig identisch aussehen. Das eine Paar, so erklärt sie, sind die „klassischen Martens“. Die, die man 3 bis 4 Wochen einlaufen muss. Das andere Paar sind „Comfort Martens“, die aus besonders weichem Leder gefertigt worden sind, die man nicht mehr einlaufen muss. Ich probiere beide Paar an. Ja, die aus weichem Leder, die sind schon sehr bequem. Aber das Leder wirkt irgendwie so dünn. Außerdem fühle ich mich wie eine Lusche, wenn ich Bequemschuhe kaufe. Ich mein’ – hallo? – ich bin doch diejenige, die mit 10 cm Heels am Kopfsteinpflaster laufen kann. Also, das kann ja nicht so schwierig sein, ein Paar robuste Schuhe einzulaufen – auch wenn ich in meinem Leben noch nie so steifes Leder an den Füßen hatte, das keinen Millimeter nachgibt, wenn ich gehe. Nein, ich kauf mir sicher keine Martens für Warmduscher… Die Verkäuferin hat noch den ultimativen Einlauftipp für mich „zwei Paar Socken übereinander anziehen, dann geht das schon“. Ich habe beim Probieren so „Füßlinge“ an. Also schon richtige Socken, nur enden die halt in Knöchelhöhe. Aber das geht schon – irgendwie… Und so lang bin ich ja eh nicht unterwegs. Also lächle ich die Verkäuferin an und frage „können sie mir die Schuhe auch gleich entmarkerln und die Alten einpacken? Ich lass’ sie gleich an“. Und kaufe noch brav Martenspflege, denn wenn man die Schuhe ordentlich pflegt, dann werden sie auch weicher.
Zwei Minuten später stakse ich etwas steifen Schrittes mit meinen nigelnagelneuen Martens an den Beinen aus dem Geschäft raus. Ok, vielleicht war das sofort-einlaufen mit Minisöckchen doch nicht die allerintelligenteste Idee der Woche. Aber aufgeben? Nein, dafür bin ich zu stur. Mein nächster Weg führt mich gleich zu H&M, wo ich mir einen ordentlichen Vorrat an „richtigen“ Socken zulege. Und setze meine Einkaufstour durch die Milleniumcity unbeirrt fort.
… wobei ich mich ab und zu schon bei dem Gedanken ertappe, dass die Schuhe doch ziemlich reiben und drücken und mich die Füße etwas schmerzen. Eine ganz neue Erfahrung – so was kenn’ ich sonst nur von Heels, bei flachen Schuhen waren meine Füße bis dato sehr kooperativ. Da hat noch nie was gerieben oder gedrückt…
Eine halbe Stunde später frage ich mich langsam, ob das Leder meine Füße wohl schon wundgerieben hat. Ob man wohl auch über den Knöcheln Blasen bekommt? Oder reibt man da gleich das Fleisch auf? Aber Schuhe wechseln? Undenkbar – ich gebe nicht auf. Ich gehe nun langsamer und etwas bedächtiger. Und mir fallen alle möglichen Horrorstories von den Jungs ein, wenn sie vom Einlaufen ihrer Bundesheerstiefel berichtet haben. Angeblich wird ja Leder besonders schnell weich, wen man in den Schuh hineinpinkelt… Aber so verzweifelt bin ich noch lange nicht.
Zuhause angekommen hab ich mal meine Füße von den Schuhen befreit – meine Zehen haben begeistert aufgeatmet und sind aus ihrer leichten Taubheit erwacht. Bei meiner zweiten Einkaufstour habe ich schon den Rat der Verkäuferin berücksichtigt: ich ziehe zwei dicke Paar Socken über die Füße und schlüpfe erst dann in die Schuhe. Naja, noch immer nicht bequem, aber immerhin besser als vorhin – ich kann mir nun wenigstens nichts mehr wund reiben.
Ich habe also beschlossen, dass ich meine Martens noch in diesem Jahr einlaufen werde. Und da ich ja mit einer gewissen Sturheit gesegnet bin, wird mir das sicher auch gelingen. Noch nie wurde ich von einem Paar Schuhe bezwungen, und verdammt will ich sein, wenn das nun diesem gelingt. Solang wär’ ich aber für gute Ratschläge, was das Einlaufen von Martens betrifft, unendlich dankbar…
Himmel, wie sehr habe ich mir mit 16, 17 Jahren ein Paar Martens gewünscht. Aber meine Eltern haben mir den Wunsch stets verweigert, ihre Begründung war, dass nur Skinheads Martens tragen, und sie mich nicht im Outfit der „rechten Szene“ sehen wollten. Und alles argumentieren, dass Skins nur Stahlkappenschuhe oder Springerstiefel tragen, war sinnlos. Keine Martens für Julia. Ich habe stattdessen Chucks von Converse bekommen – auch nette Schuhe, die ich auch sehr geliebt habe, aber eben keine Martens…
Mit dem ersten Freund und dann dem ersten Job hatten die Martens für mich an Bedeutung verloren. Ins Büro hätte ich sie ohnehin nicht tragen können, außerdem passte nichts von meinen Outfits dazu. Die Jahre gingen ins Land, und ich hatte noch immer keine Martens.
In den letzten zwei Jahren habe ich mich immer wieder dabei ertappt, dass ich mich gefragt habe, ob meinem Leben wohl etwas gefehlt hat, weil meine Füße bis dato nicht „Martens-geedelt“ waren. Ich habe mit Arbeitskollegen geplaudert (deren Kids sogar welche trugen) und habe mir vorgenommen, dass irgendwann, irgendwann… da gehe ich auch los und kaufe mir welche. Von meinem Arbeitskollegen habe ich sogar eine günstige Bezugsquelle bekommen: im Milleniumtower gibt’s ein Geschäft, wo ein Paar 8-Loch-Martens an die 100 EUR kostet. Verglichen mit dem, was ich sonst für Schuhe auszugeben pflege, das reinste Schnäppchen. Und gestern, beim Ärzte-Konzert mit Ambi, wo ich mit meinen knallroten Chucks in der Menge gestanden bin und mir etwas robusteres Schuhwerk gewünscht hätte, da ist der Entschluss in mir gereift: am Samstag fahre ich los und kaufe mir ein Paar Martens.
Gesagt, getan. Heute Vormittag überwinde ich meinen Abscheu vor mit-Menschen-vollgestopften-Einkaufszentren-am-Adventshoppingsamstag und fahre mit der U-Bahn zum Milleniumtower (Auto fahren wollte ich mir doch ersparen). Und ich finde auch sofort das Geschäft, von dem mein Arbeitskollege gesprochen hat. Die Verkäuferin lächelt mich an und fragt „was kann ich für sie tun“. Ich bemühe mich, einen möglichst coolen Gesichtsausdruck aufzusetzen, so, als ob ich bereits mit Martens an den Füßen geboren worden wäre, und sage „ich suche schwarze, knöchelhohe Martens“. Ja, da bin ich richtig – welche Größe sollen sie denn sein? Ich seufze kurz in Gedanken und verlange Größe 40 (ja, dafür, dass ich so ein Zwergerl bin, lebe ich auf verdammt großem Fuß, ich weiß…). Die Verkäuferin kommt mit zwei Paar an, die für mich völlig identisch aussehen. Das eine Paar, so erklärt sie, sind die „klassischen Martens“. Die, die man 3 bis 4 Wochen einlaufen muss. Das andere Paar sind „Comfort Martens“, die aus besonders weichem Leder gefertigt worden sind, die man nicht mehr einlaufen muss. Ich probiere beide Paar an. Ja, die aus weichem Leder, die sind schon sehr bequem. Aber das Leder wirkt irgendwie so dünn. Außerdem fühle ich mich wie eine Lusche, wenn ich Bequemschuhe kaufe. Ich mein’ – hallo? – ich bin doch diejenige, die mit 10 cm Heels am Kopfsteinpflaster laufen kann. Also, das kann ja nicht so schwierig sein, ein Paar robuste Schuhe einzulaufen – auch wenn ich in meinem Leben noch nie so steifes Leder an den Füßen hatte, das keinen Millimeter nachgibt, wenn ich gehe. Nein, ich kauf mir sicher keine Martens für Warmduscher… Die Verkäuferin hat noch den ultimativen Einlauftipp für mich „zwei Paar Socken übereinander anziehen, dann geht das schon“. Ich habe beim Probieren so „Füßlinge“ an. Also schon richtige Socken, nur enden die halt in Knöchelhöhe. Aber das geht schon – irgendwie… Und so lang bin ich ja eh nicht unterwegs. Also lächle ich die Verkäuferin an und frage „können sie mir die Schuhe auch gleich entmarkerln und die Alten einpacken? Ich lass’ sie gleich an“. Und kaufe noch brav Martenspflege, denn wenn man die Schuhe ordentlich pflegt, dann werden sie auch weicher.
Zwei Minuten später stakse ich etwas steifen Schrittes mit meinen nigelnagelneuen Martens an den Beinen aus dem Geschäft raus. Ok, vielleicht war das sofort-einlaufen mit Minisöckchen doch nicht die allerintelligenteste Idee der Woche. Aber aufgeben? Nein, dafür bin ich zu stur. Mein nächster Weg führt mich gleich zu H&M, wo ich mir einen ordentlichen Vorrat an „richtigen“ Socken zulege. Und setze meine Einkaufstour durch die Milleniumcity unbeirrt fort.
… wobei ich mich ab und zu schon bei dem Gedanken ertappe, dass die Schuhe doch ziemlich reiben und drücken und mich die Füße etwas schmerzen. Eine ganz neue Erfahrung – so was kenn’ ich sonst nur von Heels, bei flachen Schuhen waren meine Füße bis dato sehr kooperativ. Da hat noch nie was gerieben oder gedrückt…
Eine halbe Stunde später frage ich mich langsam, ob das Leder meine Füße wohl schon wundgerieben hat. Ob man wohl auch über den Knöcheln Blasen bekommt? Oder reibt man da gleich das Fleisch auf? Aber Schuhe wechseln? Undenkbar – ich gebe nicht auf. Ich gehe nun langsamer und etwas bedächtiger. Und mir fallen alle möglichen Horrorstories von den Jungs ein, wenn sie vom Einlaufen ihrer Bundesheerstiefel berichtet haben. Angeblich wird ja Leder besonders schnell weich, wen man in den Schuh hineinpinkelt… Aber so verzweifelt bin ich noch lange nicht.
Zuhause angekommen hab ich mal meine Füße von den Schuhen befreit – meine Zehen haben begeistert aufgeatmet und sind aus ihrer leichten Taubheit erwacht. Bei meiner zweiten Einkaufstour habe ich schon den Rat der Verkäuferin berücksichtigt: ich ziehe zwei dicke Paar Socken über die Füße und schlüpfe erst dann in die Schuhe. Naja, noch immer nicht bequem, aber immerhin besser als vorhin – ich kann mir nun wenigstens nichts mehr wund reiben.
Ich habe also beschlossen, dass ich meine Martens noch in diesem Jahr einlaufen werde. Und da ich ja mit einer gewissen Sturheit gesegnet bin, wird mir das sicher auch gelingen. Noch nie wurde ich von einem Paar Schuhe bezwungen, und verdammt will ich sein, wenn das nun diesem gelingt. Solang wär’ ich aber für gute Ratschläge, was das Einlaufen von Martens betrifft, unendlich dankbar…
drewshine - 8. Dez, 16:34