Sonntag, 18. November 2007

Let it snow, let it snow, let it snow

Ich bin kein Freund vom Winter. Im Winter ist es kalt, es ist nass, es ist dunkel und ich kann all meine schönen Schuhe nicht anziehen. Wenn man eine Haube trägt, weil es sonst zu sehr um den Kopf zieht, hat man hinterher eine typische Haubenfrisur, durch den Streusplit schleppt man überall Steinchen hin und mein Auto strotzt vor Dreck. Nein, der Winter und ich, wir sind wahrlich keine Freunde.

Ich bin auch kein Freund des Wintersports. Ich bin als Kind und als Jugendliche zwar ab und zu Eis laufen gewesen und ich war auch mehrmals am Schikurs, aber – es hat in vielen, vielen Fällen damit geendet, dass am Ende des Tages irgendein Körperteil von mir in Gips gehüllt war. Ich habe die Zeichen verstanden – kein Wintersport für Julia, wenn, dann nur passiv, wenn ich vor dem Fernseher sitze und unsere Schihelden anfeuere (und war’s früher ein Stephan Eberharter, dem ich die Daumen gedrückt habe, so ist es jetzt Rainer Schönfelder – ich mag diesen verrückten Kerl irgendwie).

Aber leider, leider sind wir auch in Wien um diese Jahreszeit nicht vor Schneefall gefeit, und so kommt, was traditionell immer um Leopoldi eintritt: der erste Schneefall in Wien…

Ich weiß, alle, die „am Berg“ oder „am Land“ oder wo-auch-immer wohnen, die halten sich jetzt die Bäuche vor Lachen, aber es ist halt nun mal so: bei 5 cm Neuschnee gibt es in Wien ein Verkehrschaos und bei allem, was darüber hinausgeht, kann man de facto den Untergang der Zivilisation verkünden. Alles steht. Und so sehe auch ich mit einer gewissen Besorgnis den Prognosen unserer Meteorolügen entgegen, denn der Neuschnee, der angekündigt ist, ist in der Regel der Garant dafür, dass die erste Straßenbahn, die in Wien den Geist aufgibt, die Linie D ist. … und jetzt ratet mal, mit welcher Bim ich in der Regel fahre…

Donnerstagnachmittag beginnt es also leise vor sich hin zu flankerln, allerdings schaut es noch nicht wirklich sehr bedrohlich aus. Als ich so gegen 19 Uhr das Office verlasse, sehe ich jedoch eine ziemlich winterliche Straße vor mir – der Schnee bleibt liegen und der Wind pfeift aus allen Richtungen. Ich kuschle mich in meine Jacke, ärgere mich kurz über die Tatsache, dass ich meine Haube zuhause gelassen habe (ja, ich weiß, im Radio wurde angesagt, dass es schneien könnte, aber die irren sich ja auch oft), und mache mich auf den Heimweg. Zuhause angekommen stelle ich fest, dass die Kombination Schaumfestiger, Haarspray, starker Wind und Schneefall die Haare sehr erfolgreich verkleistern kann. Und beim Entwirren der Pracht kullern mir auch etliche Tränen über die Wangen, ich ertappe mich dabei, dass ich mein überschulterlanges Haar in allen Tönen verfluche und kurz überlege, wie unendlich praktisch doch ein flotter Kurzhaarschnitt wäre (keine Sorge, alles noch dort, wo’s hingehört). Die Katzen sitzen voller Begeisterung auf den Fensterbrettern und beobachten akribisch, wie die Dachflächenfenster langsam aber sicher zugeschneit werden. ‚Wird ja alles nicht so schlimm werden’, denke ich mir noch, bevor ich mich in mein Bett verkrieche.

Als ich am Freitag früh aus dem Bett Richtung Fenster blicke, stelle ich fest, dass das Fenster komplett zugeschneit ist. Im Wohnzimmer bietet sich mir dasselbe Bild. Naja, hat’s halt in der Nacht geschneit, aber jetzt in der Früh ist das sicher schon ausgestanden – also machen wir kurz einen Realitycheck und öffnen das Fenster. Oh verdammt, da draußen schneit’s noch immer. Und es schaut so richtig winterlich aus, zusätzlich höre ich von einigen Stellen das vertraute Kratzgeräusch, das Schneeschaufeln am winterlichen Asphalt hinterlassen. Und es ist kalt… also schnell das Fenster wieder geschlossen und kurz überlegt, was tun.

Im Radio verkündet die Verkehrslady Dani Zeller, dass man in Wien besser das Auto stehen lassen sollte, und auf die Öffis umsteigen soll – die verkehren alle planmäßig. Es wäre zwar das erste Mal, dass die Wiener Linien vom Wintereinbruch nicht überrascht würden, aber kann ja sein, dass sie alle dazu gelernt haben, und dass es heuer mit dem Schneefall kein Problem gibt. Sicherheitshalber ziehe ich mich aber trotzdem sehr schneefest an, mit Jeans, dickem Pulli, meinen verhassten Desert-boots, Schal, Haube, Handschuhe und Winterjacke. Und verlasse sogar sehr zeitig, also 5 Minuten nach 8 Uhr das Haus, damit ich halbwegs zu einer vernünftigen Zeit ins Büro komme.

Auf der Straße bläst mir der Wind den Schnee ins Gesicht, sodass meine Augen sofort zu tränen beginnen. Scheißwetter! Ich stelle mich zwischen D-Wagen und Autobusstation, so, wie ich es in der Früh immer tue, damit ich mit dem Richtung Heiligenstadt fahre, was als erstes daher kommt. Ich sehe zu, wie eine entgegenkommende Straßenbahn Richtung Endstation abbiegt, ich sehe, wie die Autobusse Richtung Klosterneuburg fahren. Nur Richtung stadteinwärts, da kommt nichts. Aber ich wohne ja verkehrsgünstig und kann ja auch zur Not mit der Franz-Josephs-Bahn fahren. Und die ÖBB wird sicher planmäßig verkehren, also bin ich kurz vor viertel 9 am zugegeben sehr zugigen Bahnsteig. Vom Bahnsteig aus kann ich auch die Straßenbahnstation beobachten, die sich immer mehr mit Menschen füllt, und ich ertappe mich dabei, dass ich mich freue, dass ich in wenigen Minuten in Heiligenstadt sein werde und kurz darauf im Büro bin.

Was natürlich nicht daher kommt, ist die S40… Nach 10 Minuten Verspätung beschließe ich, mein Glück doch mit Bim oder Bus zu versuchen. Die Straßenbahnstation ist immer noch schwarz vor Menschen, es fahren zwar ab und zu Garnituren Richtung Endstation, aber es kommt nix den Berg wieder runter. Irgendwann kommt eine Dame vorbei und erklärt, dass es oben ein Problem mit einer Baustelle gibt, und dass die Bim nicht fahren kann. ‚Na leiwand’, denke ich mir schon etwas knurrig. Aber hurra, nach nur 25 Minuten warten kommt ein Bus von Klo’burg und wenige Minuten später bin ich bei der U4.

Die sollte ja immerhin planmäßig funktionieren. Und es steht sogar ein Zug in der Station, als ich den Bahnsteig betrete. Jetzt kann’s wirklich nimmer lang dauern, bald bin ich im warmen Büro und kann mir einen heißen Kaffee gönnen. Leider macht die U-Bahn keine Anstalten, die Station zu verlassen, nach ca. 5 Minuten schallt die Durchsage „Derzeit kommt es auf der Linie U4 in beiden Fahrtrichtungen zu unterschiedlichen Zugsfolgen. Wir sind bemüht, rasch die planmäßigen Intervalle wieder herzustellen und bitten um ihr Verständnis“. Na, das war ja klar… Ich überlege, ob es wohl eine Verschwörung von Ö3 und den Wiener Linien gibt, sodass sie im Radio durchsagen, dass alles planmäßig fährt, obwohl dem nicht so ist. Denn wenn man mal bei der Haltestelle steht, dann dreht man nicht mehr um, um einen Autoschlüssel zu holen – es könnte ja sein, dass in der Zwischenzeit ein Öffi daher kommt…

Mit einer halben Stunde Verspätung komme ich ziemlich übel gelaunt im Büro an. Und verfluche den Wintereinbruch in den höchsten Tönen. Braucht kein Mensch, diesen Schnee in Wien.

Am Samstagvormittag fahre ich mit der Straßenbahn Richtung Karlsplatz. Als ich beim Rathaus vorbei komme, wo gerade der Christkindlmarkt hergerichtet wird, ertappe ich mich zugegeben bei dem Gedanken, dass es so angezuckert schon irgendwie schön ausschaut…

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