Samstag, 6. Oktober 2007

Cupido

Wir haben ein sehr verklärtes Bild vom Verliebt-sein. Ein kleiner, geflügelter Gott, der sich zwei wehrlose Opfer sucht, flink zwei Pfeile abschießt und sich ins Fäustchen kichert, wenn beide Pfeile getroffen haben und sich die beiden Menschen dann strahlend in die Arme fallen und bis zum Ende ihrer Tage glücklich und zufrieden miteinander sind. Der Himmel hängt voller Geigen, das frischgebackene Paar wird von Rosenblättern umweht und die Sonne lächelt dazu…

… ich persönlich glaub ja, dass der süße Gott Amor in Wahrheit ein ziemliches G’frast ist. Einer, der sich auf seinem Wölkchen auf die Lauer legt, alles ins Visier nimmt, das ihm vor den Bogen läuft, seine Pfeile in Heckenschützen-Manier wahllos abfeuert, und sich dann diebisch über das Chaos, das er so anrichtet, freut. Unser aller Leben wäre mit Sicherheit unendlich leichter, wenn der Bengel nicht so ein verzogener Fratz wäre, der sich an unseren leidenden Herzen so sehr weidet... Oder kann es sein, dass ich den kleinen, geflügelten Liebesboten verkenne? Vielleicht ist der Ärmste ja gar nicht boshaft, sondern schlichtweg massiv kurzsichtig, der grad mal vier Zentimeter weit scharf sieht, und alles, was dahinter liegt, ist unscharf und verschwommen…

Aber schon die alten Griechen haben ihren Göttern zutiefst menschliche Charaktereigenschaften zugeschrieben. Und von demher glaube ich, dass Bosheit ganz gut zu dem kleinen, geflügelten Bengel passt. Außerdem: wenn er tatsächlich so kurzsichtig wäre, dann wäre er sicher schon von seiner Wolke gepurzelt oder gegen einen Brückenpfeiler geflogen. In jedem Fall hätte er sich sicher schon vor ein paar tausend Jahren den Hals gebrochen und würde jetzt nicht solche Unruhe unter uns Menschen stiften.

Meine Freundin Lisa hat es mal trefflich wie folgt formuliert „Ich frag’ mich nur, ob Amor seine Pfeile absichtlich so bescheuert asymmetrisch verschießt“. Und meine Freundin Ambi knurrt in einem mail an mich „Cupido ist ein Loser und gehört zur Nachschulung!“. Ja, ich glaube, dass Absicht dahinter steckt. Dass wir in Wahrheit nur zu Amors Unterhaltung dienen, der sich auf seinem Wolkerl kropfert lacht über uns. Denn wie kann es sonst kommen, dass wir uns in Vorgesetzte, Gebundene oder schlichtweg Bindungsunwillige verlieben? Wenn wir bewusst entscheiden könnten, wem wir unser Herz schenken wollen, wäre das Leben doch viel einfacher und komplikationsloser. Wir würden nicht sinnlose Hoffnungen hegen, würden uns vor dem Angebeteten nicht lächerlich machen, würden nicht all diese Verrücktheiten tun, die wir im Überschwang der Gefühle so fabrizieren. …und bräuchten nicht Tonnen an Tempo-Taschentüchern, wenn unser Herz mal wieder in tausende Stücke zerbrochen am Boden liegt.

Ein weiterer Vorteil von dem Konzept wäre auch, dass wir das Verliebt-sein auch viel besser timen könnten. Denn manchmal passt uns Herzeleid und Gefühlschaos einfach nicht ins Konzept, sei’s, weil unser Leben grad schon kompliziert genug ist, sei’s, weil wir im Job Stress haben, sei’s, weil wir grad Ärger mit der Familie haben. Und justament in diesem Augenblick kommt dann auch noch die liebe Liebe dazu, die sich in unseren Kopf und unser Herz drängt, die es macht, dass wir im Büro am Schreibtisch sitzen und verträumt in die Gegend starren, mit einem verklärten Lächeln im Gesicht, und die uns noch mehr ins Chaos stürzt – das hamma wieder braucht wie einen Stein am Schäd’l… Denn ja, es mag schon sein, dass diese umwerfende Person, die da grad vor uns steht, und deren Anwesenheit wir so unendlich genießen, die Person ist, die uns vom Universum als Partner zugedacht worden ist. Nur ist sie uns halt zum denkbar beschissensten Zeitpunkt über den Weg gelaufen. Würden wir ihr doch in einem Jahr begegnen, dann hätten wir alles, was uns im Augenblick so im Weg steht, weggeräumt und könnten dieses überwältigende Gefühl, dass wir in der Gegenwart unserer Person empfinden, uneingeschränkt genießen… Wir hätten uns im Job selbst verwirklicht, hätten das Familienleben auf die Reihe gekriegt und könnten uns ganz auf die Liebe und auf den geliebten Partner konzentrieren.

Würden wir wirklich? Oder wäre es nicht vielmehr so, dass wir vielleicht das Problem, das uns im Augenblick Schwierigkeiten bereitet, zwar aus dem Weg geschafft hätten, uns das Leben aber im Gegenzug etliche neue Stolpersteine vorbeischicken würde – Hindernisse, die wir vorher nicht kommen sahen? Und so schieben wir die Liebe wieder und wieder vor uns her, weil’s grad so gar nicht in den Zeitplan passt, und warten weiterhin geduldig auf den perfekten Augenblick. Und dann, eines Tages, blicken wir zurück und stellen fest, dass wir in unserem Leben viel zu wenig geliebt haben. Und bedauern womöglich, dass wir all die Chancen, die sich in den vorangegangenen Jahren ergeben haben, nicht genutzt haben…

Ich für mich möchte nicht, dass ich mal zurückblicke und über mich sage „ich habe in meinem Leben zu wenig geliebt“. Und somit nehme ich jeden fehlgeleiteten Pfeil von Amor dankbar an. Mag sein, dass ich mich immer in Männer verliebe, die mir nicht gut tun. Dass ich mir aus einem Raum mit 100 Singlemännern mit sicherem Griff den einen Mann rausfische, der im Augenblick grad überhaupt keine Beziehung mag (mit dem Talent sollte ich zu „wetten, dass…“ gehen). Dass sich eine Liebesbeziehung grad überhaupt nicht mit meinem stressigen Job vereinbaren lässt. Ja, das mag alles sein… Aber soll ich dir was sagen, Amor? Das ist mir völlig wurscht, denn selbst, wenn ich auf die Nase falle und meine Liebe nicht erwidert wird und am Ende des Tages mein Herz wieder mal zerbrochen vor mir auf dem Boden liegt – in meinem Bauch fliegen wenigstens die Schmetterlinge. Und das ist ja in Wahrheit das, lieber Amor, worum du mich so unendlich beneidest…

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