"Ich will"
Manchmal, wenn wahnsinnig viel zu tun ist, kann es vorkommen, dass ich nicht mehr 100%ig weiß, welcher Tag heute ist. Da gibt es dann zum Glück einige rasche Orientierungshilfen, und schon weiß man wieder, „wann“ man sich gerade befindet. Für Wochentage kann man sich ja am Fernsehprogramm orientieren – „heute ist auf Pro 7 Grey’s Anatomy, also muss Dienstag sein“, und auch, wenn einem mal der „große Überblick“ verloren geht, gibt es die eine oder andere Hilfe. Sobald die Punschstandl’n und die Weihnachtsbeleuchtung das Stadtbild dominieren, ist es zwischen Ende Oktober und Weihnachten. Ab Mitte Februar beginnt die Osterzeit, wo sich die Schokohasen in den Geschäften wie die Kaninchen vermehren. Es gibt jedoch einen Monat, den ich mit einem raschen Blick in die aktuellen Frauenzeitschriften identifizieren kann – den Mai…
Eigentlich ist der Mai ein toller Monat. Es wird wärmer, alles grünt und blüht, frau kann wieder Peep-toes tragen, ohne sich eine Blasenentzündung zu holen, man kann im Schanigarten sitzen und mit etwas Glück (so wie heuer) kann man auch ins Freibad gehen und ordentlich Farbe tanken. Es gibt auch immer einige Feiertage, sodass man nicht jeden Tag ins Office pilgern muss, sondern den Monat – eigentlich – so richtig genießen kann. Und doch wird mir jedes Jahr die Freude am Mai gründlich verdorben…
Irgendjemand sehr Gewiefter hat mal beschlossen, dass der Wonnemonat der ideale Hochzeitsmonat ist. Und hat das dann genialst vermarktet – das muss man neidlos anerkennen. Auch wenn eine Hochzeit im Juni oder August vielleicht weniger witterungsanfällig ist, es ist immer noch hipp, im Mai vor den Standesbeamten oder den Pfarrer zu treten. Nicht, dass ich falsch verstanden werde, ich freue mich immer, wenn ein Paar beschließt, den Bund fürs Leben zu schließen. Und ich drücke allen Wagemutigen beide Daumen, dass sie nicht ein Opfer der aktuellen Scheidungsquote werden. Trotzdem nervt mich dieses ewige Brautkleid-hin-Schleier-her…
Ende April macht zumeist die „Woman“ den Anfang mit einem „Hochzeits-Spezial“. Auf vielen, vielen Hochglanzseiten werden alle möglichen und unmöglichen Brautkleider vorgeführt. Die „InStyle“ und die „Vogue“ ziehen mit, und auch meine geliebte „Cosmopolitan“, die ich ansonsten für ihren Zynismus so wahnsinnig schätze, bringt im Maiheft regelmäßig ein „ja, ich will“-Special.
Die Frauenzeitschriften treten alles breit, was nur irgendwie geht: vom perfekten Antrag, über den perfekten Verlobungsring (wie ist das, muss man als Frau „nein“ sagen, wenn sich der Mann nicht mindestens auf die Knie wirft und der Ring so überhaupt nicht zu einem passt?), die perfekten „Hilfe, wie bringe ich unsere Eltern dazu, sich nicht gegenseitig an die Gurgel zu gehen“-Ratschläge, do’s und don’ts für Brautpaar ebenso wie für Gäste, was ziehe ich als Hochzeitsgast an (Tipp für Frauen: nichts Weißes und auf keinen Fall hübscher als die Braut), was schenke ich dem Brautpaar, was darf ich auf keinen Fall schenken, wenn Geld geschenkt wird, wie viel schenkt man (in etwa das, was man selbst auf der Hochzeit konsumieren wird) – keine Frage bleibt in den Maiausgaben der Frauenzeitschriften unbeantwortet.
Und als Singlefrau ist der Mai dann regelmäßig jener Monat, wo man kurz melancholisch wird – auch, wenn man gar nicht vor hat, selbst mal vor den Altar zu treten. Vor zwei Wochen sehe ich zufällig, dass sich ein ehemaliger Schulkollege von mir im Xing angemeldet hat. Also schreibe ich ihn kurz an, um ihn zu meinen Kontakten zu nehmen. Zurück kommt „Hallo Juli, ja, ich bin’s – was, immer noch dein Mädchenname *gg*“. Ich gebe zu, ich habe kurz überlegt, ob ich zurück schreiben soll „ja, weißt du, mein Mann war so emanzipiert und hat meinen Namen angenommen“, hab den Gedanken dann aber verworfen. Wenn man den Gerüchten trauen mag, die man so hört, dann ist er auch nicht grad am allerglücklichsten verheiratet und auf jemanden, der ohnehin schon am Boden liegt, tritt man bekanntlich nicht hin – ist ja so wahnsinnig schlecht für das eigene Karma. Also knurre ich den Monitor an und antworte „nein, immer noch unverheiratet und gar nicht mal so unglücklich darüber. Aber ich freue mich, dass du so happy bist. Busserl, Julia“.
Mittlerweilen hat mich aber die jahrelange Erfahrung gelehrt, dass das Phänomen „im Mai wird nur über Hochzeiten gesprochen“, ab der Mitte des Monats langsam, aber sicher wieder abklingt, und alle Zeitschriftenverlage wieder von der Romantikwolke runterklettern. Wobei ich allerdings – zugegeben – eines nicht verstehe: wieso laufen alle Verlagshäuser wie die Lemminge dem Mai als Hochzeitsmonat hinterher? Wäre es nicht sinnvoller, ein Hochzeits-Special zwischen November und Februar zu bringen, also zu jener Zeit, wo die Braut üblicherweise ihr Kleid auswählt, wenn sie im Mai heiraten möchte? Würde man mit dieser Strategie nicht eher aus der großen Masse bunter Zeitschriften hervorstechen? Oder steckt vielleicht sogar eine latente Boshaftigkeit der Verlagshäuser dahinter, dass man den Bräuten, die schon vor Wochen ihr Kleid geordert haben, Anfang Mai noch rasch einige andere Kleider unter die Nase reibt, und sie sich vielleicht denkt „war ich vorschnell? Habe ich mir das falsche Kleid ausgesucht? Hätte ich noch einige Wochen warten müssen?“ – als ob eine Braut vor der Hochzeit nicht ohnehin schon nervös genug wäre…
Aber dankenswerterweise bin ich ja ohnehin nicht in der Situation, dass ich mir den Kopf über ein Kleid zerbrechen müsste. Und wie schon zuvor erwähnt – ab Mitte Mai beginnen traditionell ohnehin alle wieder normal zu werden…
Als ich heute Morgen über meinem Frühstückssemmerl in die Freizeit-Beilage des Samstagskuriers schaue, lacht mich wieder mal ein Hochzeits-Special an – und das am 26. Mai… Bin ich vielleicht froh, dass nächste Woche schon Juni ist…
Eigentlich ist der Mai ein toller Monat. Es wird wärmer, alles grünt und blüht, frau kann wieder Peep-toes tragen, ohne sich eine Blasenentzündung zu holen, man kann im Schanigarten sitzen und mit etwas Glück (so wie heuer) kann man auch ins Freibad gehen und ordentlich Farbe tanken. Es gibt auch immer einige Feiertage, sodass man nicht jeden Tag ins Office pilgern muss, sondern den Monat – eigentlich – so richtig genießen kann. Und doch wird mir jedes Jahr die Freude am Mai gründlich verdorben…
Irgendjemand sehr Gewiefter hat mal beschlossen, dass der Wonnemonat der ideale Hochzeitsmonat ist. Und hat das dann genialst vermarktet – das muss man neidlos anerkennen. Auch wenn eine Hochzeit im Juni oder August vielleicht weniger witterungsanfällig ist, es ist immer noch hipp, im Mai vor den Standesbeamten oder den Pfarrer zu treten. Nicht, dass ich falsch verstanden werde, ich freue mich immer, wenn ein Paar beschließt, den Bund fürs Leben zu schließen. Und ich drücke allen Wagemutigen beide Daumen, dass sie nicht ein Opfer der aktuellen Scheidungsquote werden. Trotzdem nervt mich dieses ewige Brautkleid-hin-Schleier-her…
Ende April macht zumeist die „Woman“ den Anfang mit einem „Hochzeits-Spezial“. Auf vielen, vielen Hochglanzseiten werden alle möglichen und unmöglichen Brautkleider vorgeführt. Die „InStyle“ und die „Vogue“ ziehen mit, und auch meine geliebte „Cosmopolitan“, die ich ansonsten für ihren Zynismus so wahnsinnig schätze, bringt im Maiheft regelmäßig ein „ja, ich will“-Special.
Die Frauenzeitschriften treten alles breit, was nur irgendwie geht: vom perfekten Antrag, über den perfekten Verlobungsring (wie ist das, muss man als Frau „nein“ sagen, wenn sich der Mann nicht mindestens auf die Knie wirft und der Ring so überhaupt nicht zu einem passt?), die perfekten „Hilfe, wie bringe ich unsere Eltern dazu, sich nicht gegenseitig an die Gurgel zu gehen“-Ratschläge, do’s und don’ts für Brautpaar ebenso wie für Gäste, was ziehe ich als Hochzeitsgast an (Tipp für Frauen: nichts Weißes und auf keinen Fall hübscher als die Braut), was schenke ich dem Brautpaar, was darf ich auf keinen Fall schenken, wenn Geld geschenkt wird, wie viel schenkt man (in etwa das, was man selbst auf der Hochzeit konsumieren wird) – keine Frage bleibt in den Maiausgaben der Frauenzeitschriften unbeantwortet.
Und als Singlefrau ist der Mai dann regelmäßig jener Monat, wo man kurz melancholisch wird – auch, wenn man gar nicht vor hat, selbst mal vor den Altar zu treten. Vor zwei Wochen sehe ich zufällig, dass sich ein ehemaliger Schulkollege von mir im Xing angemeldet hat. Also schreibe ich ihn kurz an, um ihn zu meinen Kontakten zu nehmen. Zurück kommt „Hallo Juli, ja, ich bin’s – was, immer noch dein Mädchenname *gg*“. Ich gebe zu, ich habe kurz überlegt, ob ich zurück schreiben soll „ja, weißt du, mein Mann war so emanzipiert und hat meinen Namen angenommen“, hab den Gedanken dann aber verworfen. Wenn man den Gerüchten trauen mag, die man so hört, dann ist er auch nicht grad am allerglücklichsten verheiratet und auf jemanden, der ohnehin schon am Boden liegt, tritt man bekanntlich nicht hin – ist ja so wahnsinnig schlecht für das eigene Karma. Also knurre ich den Monitor an und antworte „nein, immer noch unverheiratet und gar nicht mal so unglücklich darüber. Aber ich freue mich, dass du so happy bist. Busserl, Julia“.
Mittlerweilen hat mich aber die jahrelange Erfahrung gelehrt, dass das Phänomen „im Mai wird nur über Hochzeiten gesprochen“, ab der Mitte des Monats langsam, aber sicher wieder abklingt, und alle Zeitschriftenverlage wieder von der Romantikwolke runterklettern. Wobei ich allerdings – zugegeben – eines nicht verstehe: wieso laufen alle Verlagshäuser wie die Lemminge dem Mai als Hochzeitsmonat hinterher? Wäre es nicht sinnvoller, ein Hochzeits-Special zwischen November und Februar zu bringen, also zu jener Zeit, wo die Braut üblicherweise ihr Kleid auswählt, wenn sie im Mai heiraten möchte? Würde man mit dieser Strategie nicht eher aus der großen Masse bunter Zeitschriften hervorstechen? Oder steckt vielleicht sogar eine latente Boshaftigkeit der Verlagshäuser dahinter, dass man den Bräuten, die schon vor Wochen ihr Kleid geordert haben, Anfang Mai noch rasch einige andere Kleider unter die Nase reibt, und sie sich vielleicht denkt „war ich vorschnell? Habe ich mir das falsche Kleid ausgesucht? Hätte ich noch einige Wochen warten müssen?“ – als ob eine Braut vor der Hochzeit nicht ohnehin schon nervös genug wäre…
Aber dankenswerterweise bin ich ja ohnehin nicht in der Situation, dass ich mir den Kopf über ein Kleid zerbrechen müsste. Und wie schon zuvor erwähnt – ab Mitte Mai beginnen traditionell ohnehin alle wieder normal zu werden…
Als ich heute Morgen über meinem Frühstückssemmerl in die Freizeit-Beilage des Samstagskuriers schaue, lacht mich wieder mal ein Hochzeits-Special an – und das am 26. Mai… Bin ich vielleicht froh, dass nächste Woche schon Juni ist…
drewshine - 26. Mai, 19:50