Dienstag, 22. Mai 2007

Summer in the city

Sommer wird’s in Wien – in den Straßenschluchten staut sich schon im Mai die Hitze, auf der Donauinsel und am Donaukanal braten die Sonnenanbeter und die Schanigärten schießen wie die Eierschwammerl aus der Erde. Und auch die Menschen verändern sich – im Büro trägt man Flip-Flops, die Röcke werden zur Freude der Männer kürzer. Außerdem werden die Tage länger, man trifft sich mit Freunden nach der Arbeit und genießt die lauen Frühsommerabende. Einfach alles ist perfekt…

Alles ist perfekt? Nun ja, mit den steigenden Temperaturen fällt mir wieder ein, was den Sommer in Wien so wahnsinnig unerträglich macht. Es stimmt schon, dass der menschliche Körper grundsätzlich etwas sehr schönes ist, aber es gibt doch einige Dinge, die man seinen lieben Mitmenschen – zumindest meiner Meinung nach - doch besser ersparen sollte…

Dienstagmorgen, 8:20 Uhr. Eigentlich ist es noch viel zu früh, um irgendetwas Weltbewegendes zu erleben. Ich wanke noch im Halbschlaf durch den Bahnhof Heiligenstadt, immerhin habe ich ja erst einen Kaffee intus, und vor dem zweiten Kaffee bin ich grundsätzlich noch kein Mensch. Und irgendwie bin ich heute auch zu müde, um mich vom iPod mit Musik berieseln zu lassen, in aller Herrgottsfrüh hat es schon mehr als 20 Grad und es ist schwül, das kann ja ein heiterer Tag werden. Ich hänge also noch meinen süßen Morgengedanken und dem Traum von letzter Nacht nach, als ich ihn sehe: der erste blanke Bierbauch der Saison – und das vor dem zweiten Kaffee… Ein Anblick, den ich nicht mal nach 3 Cocktails ertrage, geschweige denn, bevor ich auch nur ansatzweise wach bin. Ich überlege noch, ob das vielleicht noch die Reste eines ausgewachsenen Alptraumes sein können, aber der weiße Bierbauch wogt mir immer noch entgegen und schwabbelt lustig von links nach rechts und wieder zurück. Man kann seine Anwesenheit weder leugnen noch ignorieren. Wegschauen? Unmöglich… Ich ertappe mich bei zwei Gedanken: wie kann ein Mensch so einen weißen Bauch haben? Und wo kriegt man dieses Selbstbewusstsein her, ihn schon morgens so zur Schau zu stellen? Mit diesem Bauch würde ich mich wahrscheinlich in eine Burka hüllen… Aber nein, Mr. Bierbauch findet offensichtlich, dass sein sicher hart erarbeiteter Körper niemanden vorbehalten bleiben darf. Der Anblick ist zu viel für schwache Nerven (vor allem vor dem zweiten Kaffee!!! Das muss unter das Folterverbot der Genfer Konvention fallen…) – und außerdem hat sich dieses Bild regelrecht auf meiner Netzhaut eingebrannt. Kaum schließe ich mal kurz die Augen – oh Schreck, da ist er wieder…

Aber nicht nur Bierbäuche können einem die Laune am Morgen verderben. So, wie bei den Frauen die Röcke kürzer werden, so werden es auch die Hosenbeine der Männer. Und vor mir staksen lustig einige Herren mit allen möglichen Varianten von kurzen Hosen herum. Natürlich in Sandalen. Mit weißen Socken dazu, die klarerweise – sobald Mann das Haus verlassen hat – kontinuierlich einen leisen Grauschleier annehmen und sich bis zum Bahnhof Heiligenstadt schon den Status „asphaltgrau“ erarbeitet haben. Bis jetzt habe ich geglaubt, dass Socken und Sandalen ein Modefehler sind, der üblicherweise Männern im etwas gesetzteren Alter unterläuft – ein Irrtum, wie sich herausstellt…

Endlich sitze ich in der U-Bahn, mir schräg vis-a-vis eine junge Frau, und mir fällt auf, dass sie wunderhübsche Sandalen trägt. Allerdings mit unpedikürten Füßen, wo noch der Lack der vergangenen Saison mit der Hornhaut des letzten Winters streitet, wer von Beiden den Anblick der tollen Schuhe ruiniert hat. Eine rassige Dunkelhaarige mit knappen Minirock und dicht behaarten, schlanken Beinen steht neben mir und ich frage mich, ob Männer auch diesen Anblick entzückend finden. Hüfthosen und bauchfreie Tops verdecken nur halbherzig üppige Schwimmreifen, und langsam, aber sicher drängt sich die Frage auf, ob in Wien alle Spiegel ausgegangen sind, in denen man kurz einen Blick wirft, bevor man das Haus verlässt.

Gut, ich habe auch keine Figur wie Kate Moss. Aber selbst ich schaffe es, mich so zu kleiden, dass mich bei 30 Krügerl im Schatten nicht der Hitzschlag trifft und meine Mitmenschen nicht schreiend vor mir flüchten. Und wenn ich einen Rock trage – und die trage ich gerne im Sommer – dann achte ich darauf, dass meine Beine rasiert sind. Genauso, wie ich bei zehenfreien Sandalen darauf schaue, dass meine Füße einen manierlichen Anblick bieten.

Nach einem anstrengenden Arbeitstag und einer Affenhitze geht es abends endlich wieder Richtung nachhause. Wieder steige ich in die U4, wieder fällt mir ein, warum die Öffis im Sommer so unerträglich sind. Kaum bin ich in der U-Bahn, steigt mir der liebliche Geruch ungewaschener Körper in die Nase. Ja, liebe Leute, ich weiß schon, dass frischer Schweiß nicht riecht, das setzt aber voraus, dass man sich morgens duscht, bevor man sich anzieht und nicht, dass die letzte Katzenwäsche vergangenen Freitag war. Besonders unerträglich ist, wenn einige versuchen, den Körpergeruch mit Parfum zu überdecken, hassenswert, wenn das ganze mit zuckerlsüßem Parfum versucht wird. Naja, ein Gutes hat das Ganze: hungrig bin ich nun nicht mehr, das Abendessen kann ich getrost ausfallen lassen.

Zuhause frage ich mich, ob ich oberflächlich bin, weil ich meine Mitmenschen ob ihres Äußeren so verurteile. Schließlich kann man ja über Geschmack bekanntlich streiten, und vielleicht finden einige der Zeitgenossen ihren Anblick ja attraktiv. Ich beschließe, dass es offensichtlich sinnvoll ist, die Sonnenbrille auch in der U-Bahn aufzulassen (dann sieht man einiges nicht) – das werde ich ab morgen auch tun. Und gegen den Gestank hilft angeblich, wenn man flach durch den Mund atmet und an irgendwas Schönes dabei denkt…

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