Freitag, 4. Mai 2007

Gute Mädchen kommen in den Himmel...

... böse überall hin. So lautet der Titel eines sehr populären Buches. Die Autorin Ute Erhardt beschreibt darin sehr anschaulich, dass Frauen oft Opfer der Erziehung sind, und sich mit ihrer Bescheidenheit und ihren Prinzipien selbst im Weg stehen. Kleinen Mädchen wird beigebracht, dass man sie lieber hat, wenn sie lieb und nett sind und das tun, was man ihnen sagt. Die erwachsene Frau verfolgt diesen Weg natürlich weiter, denn wenn einen die Eltern geliebt haben, wenn man lieb und nett und folgsam ist, dann wird das als Erwachsener ja auch so funktionieren. Und wenn frau dann mal nicht ganz so brav ist, wie sie es gelernt hat, dann regt sich immer das schlechte Gewissen in unserem Innersten.

Bin ich ein gutes Mädchen? Ja, ich denke, dass ich das mit gutem Gewissen von mir behaupten kann. Gewiss, ich kann einen gewissen Hang zu Sarkasmus und Zynismus nicht leugnen. Es geht aber nicht so weit, dass ich bewusst andere Leute kränke oder verletze. Ich versuche, mich im Job hinaufzuarbeiten und mit Leistung zu glänzen und greife nicht zu unlauteren Mitteln wie Ellenbogentechnik oder „raufschlafen“. Ich bemühe mich, meine Launen nicht an meiner Umwelt auszulassen, immer und überall „politisch korrekt“ zu sein und niemanden wegen seiner Interessen und Vorlieben zu diskriminieren. Einfach ein Mensch sein, den ich mag – damit ich in der Früh mit gutem Gewissen in den Spiegel schauen kann und mich nicht vor der Fratze ängstige, die mir entgegen grinst. Und mit zengleichem Edelmut sagen können „wenn mir dies-und-das bestimmt ist, dann werde ich es auch bekommen oder erreichen“. Und wenn’s nicht klappt, dann war mir das einfach nicht bestimmt. Den felsenfesten Glauben vertreten, dass das Universum mich doch ein bisschen liebt und weiß, was gut für mich ist...

Diese Einstellung verträgt sich natürlich überhaupt nicht mit dem schlauen Satz „hilf dir selbst, dann hilft dir Gott“. Und manchmal gibt es so Situationen, wo ich am Scheideweg stehe und mich frage „gut oder doch besser böse“?

Freitagabend, und ich bin unterwegs... Nein, nicht auf der Suche nach Amüsement und zügellosem Sex, wie’s die Ärzte mal so schön gesungen haben. Ich bin mit meinem besten Freund Christian und seinem besten Freund unterwegs. Als Freunde des Zeichentrickfilmes haben wir uns zusammengeschlossen und uns „Corpse Bride“ angeschaut, nach dem Film ziehen wir weiter ins Bermudadreieck, um noch ein bisschen zu plauschen und den Abend zu genießen. Wobei ich auf dem Weg noch ein klitzekleines Problemchen zu lösen habe: wie’s der Volksmund so schön sagt, sind drei einer zu viel, und so aufrichtig ich Christian auch liebe, aber in dieser Situation stört er gerade ein Bisschen, und ich grüble, wie ich ihn wohl am Besten loswerden könnte – ist mir doch sein bester Freund gehörig ins Auge gestochen und der Abend wäre zu zweit sicher viel schöner...

Uns verschlägt es ins Casablanca, ein lustiges Lokal mit Livemusik und die Getränke sind auch durchaus leistbar. Die Jungs machen es sich vis-a-vis von mir bequem und wir plaudern und machen das, was die Wiener am Liebsten machen: trinken und Schmäh’ führen... Christian trifft eine Bekannte, die sich auch zu uns an den Tisch gesellt – was die Sache für mich etwas leichter macht, denn mein heimlicher Schwarm wandert nun neben mich, damit sich die Beiden leichter unterhalten können. Hallo Schicksal! Du meinst es definitiv gut mit mir... Wir plaudern also auch angeregt, immer wieder zufällige Berührungen und bekommen es gar nicht mit, dass sich Christian mit seiner Bekannten in Richtung Bar verkrümelt. Der Sänger stimmt uralte Austropop-Songs an, wir singen natürlich lautstark mit und haben einfach irren Spaß.

Und das Schönste: ich bin mir sicher, dass ich an diesem Abend erfolgreich bin – wenn’s läuft, dann läuft’s, die Funken sprühen nur so und ich weiß „wenn ich es drauf anlegen würde, dann käme er mit mir mit nachhause“. Allerdings ist das nicht das, worauf ich es abgesehen habe, denn ich bin ja doch etwas altmodisch und ziehe es vor, den Mann etwas besser kennenzulernen, bevor... Aber vielleicht schaffe ich es ja, dass ich wenigstens einen Kuss heraushole – das wäre in meinen Augen der perfekte Abschluss des Abends. Tja, leider ist es so, dass wir doch einen oder zwei zuviel über den Durst trinken und ich bin – als wir irgendwann gegen drei Uhr morgens das Lokal verlassen - doch etwas angeschwipst. Mein Bester nimmt mich am Ärmel und raunt mir ein „soll ich ihn bitten, dass er dich heimbringt?“ ins Ohr. Das Angebot ist verlockend, aber irgendwie stelle ich mir die erste gemeinsame Nacht etwas romantischer vor als betrunken nebeneinander einzuschlafen. Und außerdem: wer hetzt mich? Ich habe doch unendlich viel Zeit... Also nein, danke schön. Ich lasse mich aber von meinem Angebeteten zum Taxi bringen, und da ich doch etwas schwanke beim Gehen legt er auch den Arm um mich und küsst mich zum Abschied zart auf die Wange. Hach, fliegen könnte ich vor Glück... Ich steige in das Taxi und nenne dem Fahrer meine Adresse. Der Fahrer – taktvoll wie alle Wiener Taxifahrer – fragt „und, der Herr kommt nicht mit?“ Ich schlucke kurz meine aufwallende Mordlust runter, schicke ein Stoßgebet „bitte mach, dass er das jetzt nicht gehört hat“ gen Himmel und knurre „nein, der Herr kommt nicht mit“. In Gedanken beende ich den Satz mit „heute nicht, aber das nächste Mal“.

Das Universum hat es aber anders mit mir gemeint. Wir haben uns zwar danach noch einige Male getroffen, aber die Stimmung war nie wieder so locker und so unverkrampft wie an diesem Abend nach dem Kino. Seitdem frage ich mich, ob es wohl ein Fehler war, dass ich mich an diesem Abend nicht heimbringen ließ. Dass ich die eine Chance, die mir das Universum gewährt hat, ungenützt verstreichen ließ. Dass er es wert gewesen wäre, meine Prinzipien über Bord zu werfen.

Ich werde wohl keine Antwort auf diese Fragen bekommen. Aber Fakt ist – ich bin ein braves Mädchen geblieben...

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