Rückfälle
Es kommt ja immer wieder vor: man nimmt sich etwas Bestimmtes felsenfest vor, und schwört Stein und Bein, dass Nichts und Niemand uns von diesem Weg abbringen werden. Gute Vorsätze pflastern somit quasi unseren Weg, und wie’s im Leben dann so spielt, gibt es auch immer wieder Klippen, an denen unsere Vorsätze Schiffbruch erleiden. Der Süßigkeitenkonsum muss eingeschränkt werden? Naja, aber dieses eine, klitzekleine Eclair, das kann ja fast nichts ausmachen… Es werden keine neuen Schuhe mehr gekauft? Naja, aber das fünfte Paar schwarze Pumps schaut lang nimmer so gut aus wie früher, und dieses Paar im Schaufenster wäre genau das, was ich mir immer gewünscht habe – und es ist ja keine Neuanschaffung, sondern eine Ersatzinvestition, das zählt ja gar nicht. Uns fällt immer wieder ein guter Grund ein, warum wir wieder einmal gegen unsere Vorsätze verstoßen und wir haben immer eine schlüssige Rechtfertigung bei der Hand, warum es genau kein Verstoß gegen die selbst gestrickten Regeln ist.
Tja, und wenn es uns schon bei schnöden Konsumgegenständen so geht, wie geht es uns dann erst in der Liebe? Brechen wir hier wirklich rigoros mit der Vergangenheit oder wärmen wir vergangene Liebschaften immer wieder neu auf? Auf den ersten Blick haben wir auf diese Frage natürlich nur eine logische Antwort: „aufgewärmt wird nur ein Gulasch“ – sind wir aber wirklich so konsequent?
Wie das Leben so spielt, lerne ich eines Abends einen süßen Mann kennen – strahlend blaue Augen, ein verwegenes Lächeln im Gesicht, einen Humor, der vor feinem Sarkasmus nur so trieft und exakt der gleiche Geschmack, was Musik, Filme und Serien betrifft, wie ich. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass dieser Mensch mein lange gesuchter Seelenverwandter sein muss. Wenn mich meine vagen Kenntnisse der menschlichen Körpersprache nicht täuschen, dann geht es ihm genauso. Seine Pupillen werden größer, wenn er mich ansieht, immer wieder flüchtige Berührungen, ich beschließe also „das kann kein Zufall sein“ und denke mir „den Mutigen gehört die Welt“. Also arbeite ich mich durch einige Dates durch, werfe meinem vis-a-vis immer wieder Knochen vor die Füße, sodass er nur noch anbeißen muss – aber nichts geschieht. Eines Abends erzwinge ich sozusagen die Entscheidung und bekomme ein „Gefühle kann man leider nicht erzwingen“ ins Gesicht gewürgt. Autsch – das war ein klassisches „Maß nehmen – anlaufen – Geschwindigkeit steigern und dann mit viel Schwung ungebremst auf die Schnauze fallen“. Und wie es in diesen Fällen so ist, sammle ich die Scherben meines Herzens ein, das bei dem Sturz in tausend Stücke zerbrochen ist, kitte sie mühe- und liebevoll und gebe die berühmten Worte von mir „in meinem ganzen Leben wird dieser Idiot nie, nie, nie wieder etwas von mir hören oder sehen…“.
„One year ago – ein Jahr wie eine Ewigkeit“ würde Falco jetzt sagen. Ich treibe mich mit meinem Freund Christian in einem gemütlichen Beisel rum. Und wie es das Universum mit seinem unnachahmlichen Humor so gerne hat, laufe ich ihm in diesem Lokal über den Weg. Jetzt gibt es in solchen Situationen zwei Dinge, die frau tun kann: erstens – das Heil in der Flucht suchen (die in meinen Augen etwas erbärmliche Variante). Plan b) ist Bauch-rein-Brust-raus und das Beste daraus machen. Naja, mit dem Outfit schramme ich am „Besten“ meilenweit vorbei, das kann ich jetzt aber auch nicht mehr ändern – egal. Ich setze mein strahlendes Lächeln auf, begrüße ihn mit Bussi-links-Bussi-rechts und starte den Small-talk. Er schildert mir die Highlights des vergangenen Jahres, ich stelle fest, dass mein Jahr um einiges weniger ereignisreich war und lasse ein lapidares „ja, bei mir hat sich auch nicht viel getan – einzig die Haare sind länger und dunkler“. Ja, das steht dir auch sehr gut…. Moooooment, war das gerade eben ein Kompliment? Ich hebe den Kopf und sehe wieder in diese eisblauen Augen, die mich letztes Jahr schon um den Verstand gebracht haben. Wieder sind die Pupillen untertassengroß und ich ertappe mich bei dem Gedanken „entweder, er tropft vor dem Weggehen seine Augen mit Belladonna-Extrakt ein, damit die Pupillen größer werden, oder aber es gefällt ihm wirklich, was er sieht“.
Tja, so stehen wir nun an der Bar und plaudern. Wir gleichen wieder unseren Musik- und Seriengeschmack ab (er ist immer noch identisch, selbst bei den neu hinzugekommenen Serien), diskutieren die Austropopper und auf welchen bewusstseinserweiternden Drogen die wohl in den 70er Jahren unterwegs gewesen sind, und ob die EAV nun wohl in die Kategorie „Spaßcombo“ oder „Band mit Message“ zu zählen ist. Irgendwann merke ich, dass ich mit ihm flirte – und dass es mir Spaß macht. „Rückzug“ brüllt meine imaginäre innere Stimme, und der Zeitpunkt wäre auch günstig, da ich mein Glas gerade geleert habe. Aber anstatt vernünftigerweise zu gehen, bestelle ich mir Nachschub, zwar antialkoholisch, da ich mit dem Auto unterwegs bin, aber es ist genug Zucker drin, um mich aufzuputschen.
Irgendwann gegen Mitternacht beginnt die Juke-Box folterähnliche Schlager von sich zu geben, in die Richtung gehend, wie man sie früher beim Song Contest gehört hat. Fast so schlimm wie ‚ein bisschen Frieden’… „Ja, das hat ja Thomas Forstner beim ersten Antritt gesungen“ meint mein Barnachbar. Ich schüttle den Kopf, nein, das war die Deutsche Nicole. Er ist sich aber sicher „beim zweiten Antritt hat Forstner ‚Venedig im Regen gesungen’ und ist damit abgesoffen – beim ersten Antritt war’s aber ‚ein bisschen Frieden’…“. Schatzl, ich hab die Übertragung damals gesehen, es war Nicole mit langem blonden Wallehaar, sie saß auf einem Barhocker und hat auf ihrer Klampf’n herumgeklimpert. Er bleibt stur – Thomas Forstner. Ich grinse und strecke ihm meine Hand hin „eine Wette…“. Er schlägt ein und mir fällt auf, dass er meine Hand nicht mehr loslässt. Gut, wir brauchen noch einen Wetteinsatz – und der muss wehtun… Er sieht mit wieder tief in die Augen und sagt „was immer du möchtest – egal was…“. Mooooooment, der flirtet nicht, der brät mich regelrecht an. Nein, Kommando retour, das war sicher nur ein freud’scher Verhörer von meiner Seite, da hat mir mein Gehirn eine Fata Morgana vorgespiegelt. Hmmmm, was könnten wir denn da nur nehmen… Er sieht mir noch immer tief in die Augen und wiederholt „was immer du möchtest – egal was es ist“. So, meine Denkfähigkeit ist nun endgültig im Keller gelandet, und statt eines kreativen Wetteinsatzes wie „im rosa Häschenkostüm über die Kärntner Straße hoppeln“ kommt mir lediglich ein „gemeinsam ins Kino gehen?“ über die Lippen.
Natürlich habe ich die Wette gewonnen (man sollte nicht mit jemandem wetten, der damals die Übertragung live im Fernsehen gesehen hat), und Ehrenmann, der er nun mal ist, steht er zu seinem Wetteinsatz, und wir werden wohl in nächster Zeit ins Kino gehen. Da ich aber quasi die Meisterin der guten Vorsätze bin, habe ich mir vorgenommen, diesmal nicht mein Herz zu verlieren. Naja, vielleicht ein kleines bisschen, aber diesmal werde ich nicht den Anfang machen…
Tja, und wenn es uns schon bei schnöden Konsumgegenständen so geht, wie geht es uns dann erst in der Liebe? Brechen wir hier wirklich rigoros mit der Vergangenheit oder wärmen wir vergangene Liebschaften immer wieder neu auf? Auf den ersten Blick haben wir auf diese Frage natürlich nur eine logische Antwort: „aufgewärmt wird nur ein Gulasch“ – sind wir aber wirklich so konsequent?
Wie das Leben so spielt, lerne ich eines Abends einen süßen Mann kennen – strahlend blaue Augen, ein verwegenes Lächeln im Gesicht, einen Humor, der vor feinem Sarkasmus nur so trieft und exakt der gleiche Geschmack, was Musik, Filme und Serien betrifft, wie ich. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass dieser Mensch mein lange gesuchter Seelenverwandter sein muss. Wenn mich meine vagen Kenntnisse der menschlichen Körpersprache nicht täuschen, dann geht es ihm genauso. Seine Pupillen werden größer, wenn er mich ansieht, immer wieder flüchtige Berührungen, ich beschließe also „das kann kein Zufall sein“ und denke mir „den Mutigen gehört die Welt“. Also arbeite ich mich durch einige Dates durch, werfe meinem vis-a-vis immer wieder Knochen vor die Füße, sodass er nur noch anbeißen muss – aber nichts geschieht. Eines Abends erzwinge ich sozusagen die Entscheidung und bekomme ein „Gefühle kann man leider nicht erzwingen“ ins Gesicht gewürgt. Autsch – das war ein klassisches „Maß nehmen – anlaufen – Geschwindigkeit steigern und dann mit viel Schwung ungebremst auf die Schnauze fallen“. Und wie es in diesen Fällen so ist, sammle ich die Scherben meines Herzens ein, das bei dem Sturz in tausend Stücke zerbrochen ist, kitte sie mühe- und liebevoll und gebe die berühmten Worte von mir „in meinem ganzen Leben wird dieser Idiot nie, nie, nie wieder etwas von mir hören oder sehen…“.
„One year ago – ein Jahr wie eine Ewigkeit“ würde Falco jetzt sagen. Ich treibe mich mit meinem Freund Christian in einem gemütlichen Beisel rum. Und wie es das Universum mit seinem unnachahmlichen Humor so gerne hat, laufe ich ihm in diesem Lokal über den Weg. Jetzt gibt es in solchen Situationen zwei Dinge, die frau tun kann: erstens – das Heil in der Flucht suchen (die in meinen Augen etwas erbärmliche Variante). Plan b) ist Bauch-rein-Brust-raus und das Beste daraus machen. Naja, mit dem Outfit schramme ich am „Besten“ meilenweit vorbei, das kann ich jetzt aber auch nicht mehr ändern – egal. Ich setze mein strahlendes Lächeln auf, begrüße ihn mit Bussi-links-Bussi-rechts und starte den Small-talk. Er schildert mir die Highlights des vergangenen Jahres, ich stelle fest, dass mein Jahr um einiges weniger ereignisreich war und lasse ein lapidares „ja, bei mir hat sich auch nicht viel getan – einzig die Haare sind länger und dunkler“. Ja, das steht dir auch sehr gut…. Moooooment, war das gerade eben ein Kompliment? Ich hebe den Kopf und sehe wieder in diese eisblauen Augen, die mich letztes Jahr schon um den Verstand gebracht haben. Wieder sind die Pupillen untertassengroß und ich ertappe mich bei dem Gedanken „entweder, er tropft vor dem Weggehen seine Augen mit Belladonna-Extrakt ein, damit die Pupillen größer werden, oder aber es gefällt ihm wirklich, was er sieht“.
Tja, so stehen wir nun an der Bar und plaudern. Wir gleichen wieder unseren Musik- und Seriengeschmack ab (er ist immer noch identisch, selbst bei den neu hinzugekommenen Serien), diskutieren die Austropopper und auf welchen bewusstseinserweiternden Drogen die wohl in den 70er Jahren unterwegs gewesen sind, und ob die EAV nun wohl in die Kategorie „Spaßcombo“ oder „Band mit Message“ zu zählen ist. Irgendwann merke ich, dass ich mit ihm flirte – und dass es mir Spaß macht. „Rückzug“ brüllt meine imaginäre innere Stimme, und der Zeitpunkt wäre auch günstig, da ich mein Glas gerade geleert habe. Aber anstatt vernünftigerweise zu gehen, bestelle ich mir Nachschub, zwar antialkoholisch, da ich mit dem Auto unterwegs bin, aber es ist genug Zucker drin, um mich aufzuputschen.
Irgendwann gegen Mitternacht beginnt die Juke-Box folterähnliche Schlager von sich zu geben, in die Richtung gehend, wie man sie früher beim Song Contest gehört hat. Fast so schlimm wie ‚ein bisschen Frieden’… „Ja, das hat ja Thomas Forstner beim ersten Antritt gesungen“ meint mein Barnachbar. Ich schüttle den Kopf, nein, das war die Deutsche Nicole. Er ist sich aber sicher „beim zweiten Antritt hat Forstner ‚Venedig im Regen gesungen’ und ist damit abgesoffen – beim ersten Antritt war’s aber ‚ein bisschen Frieden’…“. Schatzl, ich hab die Übertragung damals gesehen, es war Nicole mit langem blonden Wallehaar, sie saß auf einem Barhocker und hat auf ihrer Klampf’n herumgeklimpert. Er bleibt stur – Thomas Forstner. Ich grinse und strecke ihm meine Hand hin „eine Wette…“. Er schlägt ein und mir fällt auf, dass er meine Hand nicht mehr loslässt. Gut, wir brauchen noch einen Wetteinsatz – und der muss wehtun… Er sieht mit wieder tief in die Augen und sagt „was immer du möchtest – egal was…“. Mooooooment, der flirtet nicht, der brät mich regelrecht an. Nein, Kommando retour, das war sicher nur ein freud’scher Verhörer von meiner Seite, da hat mir mein Gehirn eine Fata Morgana vorgespiegelt. Hmmmm, was könnten wir denn da nur nehmen… Er sieht mir noch immer tief in die Augen und wiederholt „was immer du möchtest – egal was es ist“. So, meine Denkfähigkeit ist nun endgültig im Keller gelandet, und statt eines kreativen Wetteinsatzes wie „im rosa Häschenkostüm über die Kärntner Straße hoppeln“ kommt mir lediglich ein „gemeinsam ins Kino gehen?“ über die Lippen.
Natürlich habe ich die Wette gewonnen (man sollte nicht mit jemandem wetten, der damals die Übertragung live im Fernsehen gesehen hat), und Ehrenmann, der er nun mal ist, steht er zu seinem Wetteinsatz, und wir werden wohl in nächster Zeit ins Kino gehen. Da ich aber quasi die Meisterin der guten Vorsätze bin, habe ich mir vorgenommen, diesmal nicht mein Herz zu verlieren. Naja, vielleicht ein kleines bisschen, aber diesmal werde ich nicht den Anfang machen…
drewshine - 27. Mär, 16:03